Zur großen Überraschung wurde beim Gemeindeamt vor einigen Tagen um den sofortigen Abriss aller Gebäude der früheren Kammfabrik angesucht. Aber beginnen wir am Anfang.
Im SPÖ-Wahlkampf wurde behauptet, dass der Bildungscampus auf dem Gelände der früheren Kammfabrik (Ecke Europaplatz – Eumigweg) im Anschluss an den Hort-Europaplatz errichtet werden soll. Dazu war geplant, dass die Gemeinde die Liegenschaft erwirbt. Daraus ist dann offenbar nichts geworden. Das Projekt ist still und heimlich aus dem Gemeindebudget verschwunden. Begründung gab es vom damaligen Bürgermeister keine. Außer der Aussage: Politischer Wille. Das haben wir im übrigen öfter gehört, wenn wir etwas wissen wollten. Dann war geplant, dass die Wohnbaugenossenschaft „Wien-Süd“ die Liegenschaft erwirbt, darauf angeblich eine Schule baut und der Gemeinde möglicherweise verpachtet. Warum sollte aber eine Gemeinde eine Bundesschule – und das ist ein Gymnasium nun einmal – bauen lassen und danach anmieten??? Das wäre doch in ganz Österreich Angelegenheit des Bundes und nicht einer Gemeinde. Wir erhielten monatelang keine Antwort des früheren Bürgermeisters.
Um endlich Antworten auf die vielen Fragen der letzten Monate zu erhalten, habe ich gleich nach meinem Amtsantritt um den „Akt Bildungscampus“ ersucht. Achselzucken und betretenes Schweigen im Gemeindeamt. Es gibt keinen Akt, außer vier eher nichtssagende A-4 Zetteln. Dazu muss man wissen, dass die Mitarbeiter/-innen des Gemeindeamtes über alles und jedes sofort einen Akt anlegen, wenn Schriftstücke vorhanden sind. Aber die Vorregierung hat doch immer behauptet, es hätten Gespräche stattgefunden und bereits 2016 würden die Schulglocken läuten???? Wieder Achselzucken. Im Gemeindeamt wäre darüber nichts bekannt. Ich bat – instinktiv – um einen neuesten Grundbuchauszug.
Dann die Überraschung: Das Grundstück der Kammfabrik wurde Anfang Februar 2015 an die „Raiffeisen-Immobilien-Leasing“ verkauft. Wenn jemand 14.000 m2 kauft, dann macht er das für gewöhnlich nicht über Nacht, sondern dann werden die Gespräche schon länger gelaufen sein. Das erklärt auch, warum die SPÖ das Bildungscampus-Thema am Ende des Wahlkampfes gar nicht mehr erwähnt hat.
Vor einigen Tagen kam dann die Mitteilung vom neuen Eigentümer, dass sämtliche Gebäude umgehend abgerissen würden. Und die Arbeiten gehen fix voran (siehe Bild oben).
Mittlerweile hat mir der frühere Vize-Bgm. Tutschek eine 2 1/2-seitige Expertise „Interessenskundgebung der Gemeinde Wiener Neudorf bezüglich eines neuen AHS-Standortes“ vorbeigebracht. Interessanterweise ohne Datum. Angeblich wäre diese im letzten Sommer vom Gemeindeamt an den Landesschulrat für NÖ geschickt worden. Im Gemeindeamt wissen wir nichts davon. Im elektronischen Postbuch des Gemeindeamtes, in dem alle Ausgangs-Schriftstücke penibel aufgelistet sind, ist nichts ersichtlich.
Mittlerweile habe ich Termine mit der Raiffeisen-Immobilien-Leasing und mit dem NÖ Landesschulrat vereinbaren lassen. Diese Gespräche werden im April stattfinden. Wenn nötig, werde ich im Anschluss daran auch mit dem Ministerium Kontakt aufnehmen. Ich hoffe, dass ich bis zur nächsten Gemeinderatssitzung am 27. April klarer sehen werde und dem Gemeinderat über den Sachverhalt ausführlich berichtet kann.
Wie heißt es so schön im Hobellied von Ferdinand Raimund: „Am End weiß keiner nix.“ So ähnlich geht es derzeit allen, mit denen ich über das „Bildungscampus-Thema“ spreche.