
Möglich, dass nach der Kreuzigung Jesu das Leben und Wirken dieses seltsamen Mannes und seiner vielleicht 30 fanatischen Anhänger bald in Vergessenheit geraten wäre – wenn nicht zwei andere Männer etwas gesehen und danach so gehandelt hätten, wie sie gehandelt haben.
Saulus war ein römischer Bürger, entstammte einer jüdischen Familie aus der Stadt Tarsus (heutige Türkei), erlernte das Geschäft des Zeltbauens und kam nach Jerusalem, auch um die Gruppe des Gekreuzigten aufzuspüren und zu verfolgen, die da behaupteten ein verurteilter – und kurz zuvor mit dem Tod bestrafter – Verbrecher wäre der Sohn Gottes. Diese unverfrorene Erzählung erzürnte einen wie Saulus. Auf dem Weg ins syrische Damaskus erschien ihm laut dem Evangelisten Lukas ein gleißendes Licht und eine Stimme gab sich als Jesus aus und fragte Saulus, warum er ihn und die seinen verfolge. Das hat diesen Saulus so beeindruckt, dass er sein ganzes Leben umkrempelte. Gut, Lukas ist unter den Evangelisten sicher der literarisch Begabteste und in seinen Formulierungen der phantasievollste. Ob es sich genauso zugetragen hat, werden wir wohl nie erfahren. Egal. In jedem Fall wurde bekanntlich aus dem Zeltbauer ein Prediger, ein diese Jesus-Gruppe fanatisch Verfolgender einer von ihnen – ein Paulus aus dem Saulus. Ohne diesen Paulus, der in den nächsten zwei Jahrzehnten rast- und ruhelos rund um das Mittelmeer umherfuhr und zahllose Briefe an die jeweiligen von ihm gegründeten Gemeinden schrieb, um sie auf Kurs zu halten, wäre nie die Saat für eine Weltreligion gelegt worden.
250 Jahre später, am 28. Oktober 312, tobte in Rom wieder einmal ein Krieg, zur Abwechslung ein Bürgerkrieg – und zwar ein eigentlich ungleicher. Auf der einen Seite das Heer eines gewissen Maxentius mit angeblich etwa 100.000 Soldaten, auf der anderen das auf etwa 40.000 Mann geschätzte Heer eines gewissen Konstantin, der späterhin der „Große“ genannt werden sollte. Da im alten Rom die Götter das Sagen und so gut wie auf alles Einfluss hatten, war es wichtig, auf die richtige Gottheit zu setzen – auch und vor allem bei Kriegen. So wie Saulus hatte auch Konstantin eine Erscheinung. Diese empfahl ihm das Christusmonogramm auf die Schilde seiner Soldaten malen zu lassen, wenn er die Schlacht gewinnen wolle. Er veranlasste dies und der Überlieferung nach verlieh dies seinen Kämpfern so viel Motivation und Kräfte, dass das vermeintlich viel schwächere Heer diese Schlacht gewann. Spätere Militärhistoriker mögen herausgefunden haben, dass Maxentius einen Reigen folgenschweren Fehler machte und dass das eigentlich den Ausgang beeinflusste. Egal. Konstantin bestand darauf, dass allein seine Erscheinung zum Sieg geführt hat, wurde letztlich Allein-Kaiser und bekannte sich ohne Wenn und Aber zum Christentum.
Weil Religion immer Geld brauchte und Geld braucht, war vor allem der Mehrgott-Glaube von Zuwendungen abhängig. Weil diese Zuwendungen immer mehr ausblieben verschwand der Polytheismus immer mehr von der Bildfläche und das vom römischen Kaiserhaus in allen Bereichen geförderte Christentum blühte auf.
325 verschickte Konstantin eine Einladung an Hunderte Bischöfe im gesamten Reich. Sie mögen in seine Sommerresidenz nach Nicäa (ca. 140 km vom damaligen Herrschersitz Konstantinopel entfernt) kommen und entscheidende Fragen des Christentums klären. Dabei wurde erstmals z.B. festgehalten, dass Jesus gottgleich ist. Es wurden erste Schritte in Richtung eines zölibatären Lebens für Bischöfe, Priester und Diakone gesetzt. Und: Es wurde die Terminfindung für das jährliche Osterfest geregelt.
In Anlehnung an die Beschlüsse von Nicäa feiern wir 1.700 Jahre später an diesem Wochenende Ostern und beschließen dieses Fest traditionell in Wiener Neudorf am Ostermontag mit der Osternestsuche. Dafür hatte vor vielen Jahren zwar niemand eine Erscheinung, aber offenbar einen guten Gedanken (heute würde man schreiben: einen guten Riecher), weil wir Jahr für Jahr immer mehr Gäste im Klosterpark begrüßen dürfen – hoffentlich auch Sie/Dich.