
Probleme machen, auf Probleme hinweisen, von Problemen profitieren ist halt in jedem Fall leichter und bringt auch mehr Stimmen, als sich um eine Lösung zu bemühen, die immer toll kritisiert werden kann, was wieder mehr Stimmen bringt. Das ist leider das Erfolgsrezept mancher Parteien. Ich gehe davon aus, dass Sie schon wissen, wen ich meine.
Dass die Verhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP scheitern werden, hat sich (nicht nur) für mich schon seit Wochen abgezeichnet. Ich schreibe gerne mein Gefühl dazu: Glücklicherweise. Bei zu vielen grundsätzlichen Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Sicherheit und der Absicherung der Demokratie können diese beiden Parteien einfach keinen Konsens finden. Und sie dürfen es auch nicht. Dennoch halte ich es für richtig, dass die Verhandlungen versucht wurden, weil sonst immer im Raum gestanden wäre, dass diese Konstellation schon irgendwie möglich und erfolgreich gewesen wäre.
Dass letztlich der Eindruck überbleibt, es ginge nur um Posten und speziell um den Innenminister, ist für mich zu kurz gegriffen. Es war von vorne herein klar, dass die FPÖ dieses Ministerium haben möchte, weil sie nur dadurch ihre Politik umsetzen kann. Es war von vorne herein klar, dass die ÖVP ebenfalls dieses Ministerium haben möchte und auch muss, um genau das zu verhindern, auch um weiterhin Österreich als einen verlässlichen Partner für das Ausland, ausländische Geheimdienste etc. zu positionieren. Wäre das Innenministerium an die FPÖ gegangen hätte das ungeahnte Folgen für weite Bereiche unseres Lebens gehabt. Das war der FPÖ klar. Das war der ÖVP klar. Das Scheitern war also vorprogrammiert und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer tatsächlich an ein Koalitionsabkommen geglaubt hat.
Ich frage mich nur, was der jetzige laute Ruf nach einer Neuwahl bringen soll. Es werden sich schon Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl im Herbst 2024 verschieben. Und dann? Was soll sich an der heutigen Situation ändern, wenn die eine oder andere Partei ein paar Prozente gewinnt oder verliert? Das wird nicht die Lösung sein. Das verstärkt nur das Problem.
Aus meiner Sicht bleibt nur, dass die demokratischen Kräfte der Mitte zur Besinnung kommen, noch einmal in Verhandlungen gehen, ihre Ideologien nicht verraten aber überdenken und der Realität anpassen und einzig und allein an die Zukunft Österreichs denken – und nicht daran, was die Gewerkschaft oder die Industriellenvereinigung oder sonstige Bünde und Organisationen dazu sagen werden. Österreichpolitik muss jetzt über Parteipolitik stehen. Gegenwart und Zukunft müssen eine größere Bedeutung haben als Klassenkampf, Vergangenheitsbewältigung, gegenseitiges Misstrauen und Schuldzuweisungen oder was jemand vielleicht getan, gesagt oder unterlassen hat. Dann sehe ich eine reelle Chance, dass Österreich im Laufe des März eine handlungsfähige Regierung bekommt.
Die Zeit drängt. Wir brauchen dringend ein Bundesbudget, weil die Verfassung zwar die Möglichkeit des „automatischen Provisoriums“ kennt, aber spätestens im Juni das Geld knapp wird. Das hätte dann nicht nur gravierende Auswirkungen auf uns als Privatpersonen, sondern auch auf die Gemeinden. Viele unserer Ausgaben und Projekte sind mit Förderungen und Zuschüssen aus dem Bundesbudget verbunden. Kommen diese Gelder nicht oder werden sie gekürzt, dann hat das auf jedes Gemeindebudget Auswirkungen. Und teilweise keine kleinen. Wenn die Wirtschaft nicht in Schwung kommt, hat das Auswirkungen auf die Personalsituation in den Betrieben und in weiterer Folge durch sinkende Kommunalsteuern auf die Gemeindebudgets.
Kann sein, dass Türen zugeschlagen wurden. Aber erwachsene Menschen sollten wissen, dass es Türschnallen gibt, die man ganz einfach nur nach unten bewegen muss, um diese Türen wieder zu öffnen. Das hat schon mein gestern zwei Jahre alt gewordenes Enkelkind kapiert. Das kann man im übrigen auch machen, ohne sein Gesicht – oder Wählerstimmen – zu verlieren.