Vorweg: Als ich vor mehr als 30 Jahren gemeinsam mit Michael Gnauer das Umweltforum (UFO) in Wiener Neudorf gegründet habe, da wollten wir eine Bewegung abseits von politischen Strömungen und Richtungen ins Leben rufen, die sich ausschließlich mit den Gemeinde-Themen von Wiener Neudorf befasst. Ich persönlich hatte nie ein Parteibuch und habe auch bis heute keines. Was ich aber habe ist eine Haltung und eine politische Weltanschauung.
Als ich 2005 als UFO-Bürgermeister abgewählt wurde und mich das UFO mehr oder weniger fallen gelassen hat, bin ich in die Privatwirtschaft und die Literatur zurückgekehrt. Erwin Pröll, Johanna Mikl-Leitner und vor Ort Erhard Gredler haben mich 2010 zu einer Rückkehr in die Gemeindepolitik überredet und mich davon überzeugt, dass ich als parteiunabhängiger Spitzenkandidat bei der ÖVP Wiener Neudorf einsteigen soll. Die weitere Entwicklung ist bekannt.
Von meiner politischen Überzeugung würde ich mich am ehesten als liberal-bürgerlichen Grünen bezeichnen. In meiner Jugend wurde ich durch meine Großeltern (bei denen ich aufgewachsen bin) und über zehn Jahre in verschiedensten Funktionen in der Pfarre St. Othmar/Mödling christlich-sozial geprägt. Deshalb konnte ich mich 2010 durchaus mit dem Gedankengut der ÖVP anfreunden, mit den Überlegungen der ökosozialen Marktwirtschaft sowieso.
Es entstanden viele neue Bekanntschaften in der ÖVP Niederösterreichs, darunter die heutigen Minister Gernot Blümel oder Karl Nehammer. Über das Zustandekommen der Bundesregierung mit einer Koalition mit den Grünen habe ich mich sehr gefreut, weil ich glaube, dass das eine gute Chance für Österreich ist, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. Dass diese Regierung praktisch von Anbeginn an mit der Coronakrisen-Bewältigung beschäftigt ist, ist natürlich Pech und lässt viele Projekte in den Hintergrund treten.
Persönlich bin ich den Weg der Umfärbung der ÖVP von schwarz auf türkis nicht mitgegangen. Wozu auch? Für mich sind nicht Farben wichtig, sondern Inhalte. Sollen sich manche Schwarze jetzt türkis fühlen – mir egal. Was mich persönlich mehr stört und eigentlich schmerzt, ist die Abwendung der christlich-sozialen Idee. Und da meine ich nicht unbedingt den täglichen Kirchgang.
Und jetzt bin ich bei dem Thema der nächtlichen Abschiebung von Kindern nach Georgien oder Armenien. Nein, wir können nicht die Welt retten. Wir können auch nicht alle Hilfsbedürftigen aufnehmen. Wir können auch nicht alle, die einen negativen Bescheid haben, trotzdem im Land behalten. Und wir können nicht bei jedem tragischen Bericht über Zustände in Flüchtlingslagern Flugzeuge schicken, um diese bedauernswerten Menschen zu uns zu holen. Und nein: Ich erwarte mir nicht, dass nach einem (hoffentlich ausführlich und gut recherchierten) Abschiebe- oder Bleibe-Urteil eines Gerichtes ein Politiker, egal ob Innenminister, Bundeskanzler oder Bundespräsident, die übergeordnete Macht hat, über ein Gerichtsurteil den Daumen nach oben oder unten zu richten.
Was ich mir aber erhoffe sind Gesetzesänderungen, die auf einem christlich-sozialen Fundament ruhen. Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn eine Mutter mit ihren Kindern mehrmals nach Österreich einreist, obwohl es negative Bleibe-Bescheide gibt und die Behörden ärgert. Aber andererseits zeigt es mir, dass die Familie ein Bedürfnis nach Österreich hat und: Was können die Kinder dafür. Ich bin nicht dafür, dass jedes Kind, das in Österreich geboren ist, auch das Recht auf die Staatsbürgerschaft hat. Das würde unweigerlich auch dazu führen, dass viele Hochschwangere nach Österreich kommen und hier entbinden.
Aber ich bin sehr dafür, dass Kinder, die jahrelang hier leben, die das Land und die Sprache und die Mentalität kennen und in Hinkunft einen Beitrag für die Zukunft Österreichs leisten wollen, auch die Chance haben hier zu bleiben.
Ich wünsche mir mehr Egoismus. Nicht böse sein, aber jemand zu unterstützen, ihm eine Lehre zu ermöglichen und dann am Ende der Lehre, wenn dieser jemand dem Staat finanziell etwas zurückgeben kann, abzuschieben, halte ich für absurd. Noch dazu, wenn der erlernte Beruf dringend benötigt wird.
Und ich erhoffe mir bei der Gewährung oder Verneinung eines Bleiberechts ein Mitspracherecht der Bürgermeister bzw. des Gemeinderates. Denn ob sich jemand integrieren möchte oder nicht, kann man am besten vor Ort beurteilen – eigentlich: nur vor Ort.
Ich wünsche mir wieder mehr Christlich-Soziales in der Bundes-ÖVP, so wie es in vielen ÖVP-Gemeindeorganisationen gelebt wird. Wir brauchen kein Buhlen um stramme FPÖ-Wähler/-innen. Ich wünsche mir wieder mehr „Schwarz“ bei den „Türkisen“. Dann wird auch die Bundes-Koalition gut funktionieren. Denn dass die Grünen zu vielen Kompromissen bereit sind und auch über Schatten springen können, haben sie bewiesen. Und auch wenn die Bundes-ÖVP der größere und gewichtigere Partner ist, wird sie sich bewegen müssen. Das erwarten sich mittlerweile viele ÖVP-Bürgermeister, nicht nur ich.