Wir sind corona-müde. Wir wollen die Einschränkungen nicht mehr. Wir haben die Schnauze voll. Viele haben beschlossen, nicht mehr mitzumachen. Genau dort wollte uns das Virus haben. Und genau diesen Gefallen machen wir dem Virus jetzt.
Die Fallzahlen gehen trotz des Lockdowns nicht hinunter. Das Virus hat einen Gang zugelegt und mutiert. Dafür kann niemand etwas. Auch wenn Schuldzuweisungen gerne gemacht werden, daran ist niemand schuld. Die logische Folge wäre: Wir verlängern den Lockdown und bringen die Situation in Griff, bevor wir uns eine neue Front aufmachen. Was aber machen wir? Genau das Gegenteil.
Natürlich bekommen die Landes- und Gemeindepolitiker die Stimmung in der Bevölkerung hautnäher mit als die Bundespolitiker. Und die Stimmung schlägt immer mehr um. Politisch ist es also gescheit, den Lockdown so gut wie möglich zu beenden. Gesundheitlich ist es ein absoluter Schwachsinn – und spielt dem Virus in die Hände.
Ein geflügeltes Wort heißt: Die Gesundheit ist das wichtigste Gut, das wir haben. Angeblich geht dieser Spruch auf eine Aussage des amerikanischen Politikers Arlen Specter zurück. Für viele von uns gibt es mittlerweile wichtigere Güter: Den Datenschutz, die persönliche Freiheit, das Freunde-Treffen, Partys, Glauben an abstruse Theorien …… Die Gesundheit gilt nur jenen als das wichtigste Gut, die wirklich krank sind und wissen, wie entscheidend und wichtig die Gesundheit ist. Vielen ist die Gesundheit, vor allem die der anderen, unwichtig und egal geworden. Ansonst ist das Verhalten etlicher nicht zu erklären.
Und natürlich ist die Frage zulässig: Sind es die 1 Million Österreicher, die kurzarbeiten oder arbeitslos sind es wert, dass ein paar Tausend Menschen vielleicht weniger krank werden oder ein paar Hundert weniger sterben? Sind es die paar Hundert oder Tausend wert, dass Betriebe zugrunde gehen und Unternehmer oder Arbeitnehmer vor dem finanziellen Ruin stehen?
Diese Abwägungen zu treffen und zu verantworten ist beileibe keine leichte Übung. Als Entscheidungsträger kannst Du dabei nicht gewinnen. Die einen halten das eine für richtig, die anderen das andere.
Es wissen sowieso alle, die Bescheid wissen, dass die Lockerungen ab kommenden Montag (mit Ausnahme der Schulöffnungen) für die allgemeine Gesundheit ein absoluter Unsinn sind. „Spiel mit dem Feuer“ sagt die eine, „Ritt über die Rasierklinge“ der andere. Die Lockerungen ab kommenden Montag können nur dann gelingen, wenn sich möglichst alle vernünftig verhalten. Dass das nur ein frommer Wunsch ist, wissen auch alle. Der nächste Lockdown ist vorprogrammiert und ernstzunehmende Virologen sagen diesen bereits für die zweite Märzhälfte voraus.
Natürlich müssen wir auf die Wirtschaft schauen. Österreich ist in Europa bislang wirtschaftlich am schlechtesten durch die Pandemie gekommen. Das hat vor allem mit der überdurchschnittlichen Bedeutung des „geschlossenen“ Tourismus zu tun. Andererseits hatten wir mit die höchsten Lockdown-Tage. Aber bis auf den Anfang der Pandemie waren unsere Lockdowns immer halbherzig, weil auf diese oder jene Lobby Rücksicht genommen werden muss, weil es da und dort wichtige Für- oder Gegensprecher gab. Weil Österreich halt so funktioniert wie es funktioniert: Siehe St. Anton oder diverse Schikurse.
Wenn ich auf der Autobahnbrücke stehe und auf die A2 hinunterschaue, dann habe nicht das Gefühl, dass sich viele im Lockdown oder im Home-Office befinden.
Die gute Nachricht: Wir werden am Ende den Krieg gegen das Virus gewinnen. Sobald ausreichend Menschen geimpft sind und sobald auch ein wirksames Medikament erfunden sein wird. Die nächste Schlacht aber, wird mit Sicherheit das Virus gewinnen. Uns egal: Wir haben die Schnauze voll und wollen endlich wieder shoppen, Nägel schneiden oder Haare färben.






