
Ein Land liegt im kollektiven Trauerzustand. 1:2 gegen die Türkei im Achtelfinale der Fußball-EM, noch dazu als deutlich bessere Mannschaft! Natürlich ist das skurril, ungerecht und traurig – und natürlich wäre es richtiger gewesen, erst im Viertel- oder im Halbfinale auszuscheiden, am besten gegen eine stärkere Mannschaft und nicht gegen eine offensichtlich unterlegenere. Aber eigentlich ist nichts passiert und eigentlich ist es „wurscht“. Oder?
Wichtig war die Türken 1683 überraschend – denn damals waren unsere Altvorderen das deutlich unterlegenere Team – vor Wien geschlagen zu haben. Das war für unser heutiges gewohntes (religions)freies, liberales und demokratisches Leben ein ganz wichtiger und entscheidender Meilenstein. Ob das gestrige Ergebnis für die Türken zu einer tatsächlichen Verbesserung ihres Lebens führen wird, wird sich weisen. Wichtiger ist es, die eigentlich wichtigen uns belastenden Probleme zu schlagen und in den Griff zu bekommen, als 11 Männer einer anderen Nation auf einem Fußballplatz. Aber natürlich ist es schade, dass wir nicht ins Viertelfinale aufgestiegen sind und deshalb der Marktwert von ein paar österreichischen Fußballern nicht gesteigert werden konnte. Und natürlich ist es schade, dass Marco Arnautovic seine Bestmarke für Teameinsätze nicht mehr steigern kann. Allerdings: Wir sind erst unlängst Speerwurf-Europameister/in geworden. Ich war ebenso live dabei und habe mich irrsinnig mit und über Victoria Hudson gefreut, aber für mein heutiges Leben am 3. Juli 2024, meine Zufriedenheit und meine Gesundheit ist das eher bedeutungslos.
Außerdem: Ich bin mir fast sicher, dass sich die Franzosen in einigen Monaten wünschen würden, sie hätten im Achtelfinale lieber gegen Belgien verloren als in derselben Woche ihr Land an die Rechtspopulisten.
Wir haben nur ein Spiel verloren und es scheint mir als gäbe es Wichtigeres in den nächsten Monaten zu gewinnen. Dass wir uns ab heute wieder mehr darauf konzentrieren und den Fokus legen können, gibt Hoffnung, dass es uns nicht genauso geht wie den Franzosen.