3-er-Koalitionen gehen schon!

Insgesamt war das für Europa keine gute Woche. Für viele von uns unverständlich, dass jemand, der ein derartiges Frauenbild hat, verurteilt und mehrfach sichtlich zu Recht angeklagt ist, überhaupt zu einer Präsidentenwahl antreten kann – und diese dann auch noch haushoch gewinnt. Aber die USA ticken anders als Europa und die Wähler/-innen sowieso. Dass ein demokratische Prinzipien ablehnender Präsident Trump keine Jubelschreie in der westlichen Welt auslöst, außer bei Despoten, Autokraten und Rechtspopulisten, ist eine logische Folge. Dass am gleichen Tag die 3-er-Koalition des wichtigsten Landes der EU zerbricht, statt gerade jetzt alle persönlichen Ressentiments und parteitaktischen Überlegungen beiseite zu stellen und auf „Teufel-komm-raus“ gemeinsam neue Ziele zu formulieren und sie konzentriert anzugehen, ist natürlich traurig. Und auch völlig absurd, weil mit Sicherheit alle 3 Parteien bei der nächsten Wahl dafür abgestraft werden. Aber natürlich war der Zerfall der deutschen Regierung irgendwie absehbar, wenn auch nicht gerade jetzt.

Dass auch in Österreich eine 3-er-Koalition angedacht ist, nachdem nicht einmal die letzte 2-er-Koalition streitlos funktioniert hat, bringt viele zum Nachdenken, vor allem wenn man das Bild des großen Nachbarn vor Augen hat.

Ich kenne aus eigener Bürgermeister-Erfahrung die Unterschiede zwischen einer Absoluten Mehrheit (seit 2020), der Führung einer 2-er-Koalition (2000 – 2005) und einer 3-er-Koaliton (2015 – 2020). Auch wenn man bei jedem einzelnen Thema um Konsens bemüht ist, ist natürlich eine Absolute Mehrheit letztlich eine Garantie für rasche und unverwässerte Entscheidungen.

Aus meiner Sicht kann eine Koalition (egal aus wievielen Partnern diese besteht) nur dann funktionieren, wenn man sich gegenseitig Erfolge gönnt und wenn man die an die jeweiligen Partner übertragenen Ressorts weitestgehend eigenständig arbeiten lässt. Wenn jetzt alle Regierungspartner bei allen Angelegenheiten mitreden und überall ihre Schwerpunkte unbedingt umgesetzt sehen wollen, dann wird es schwierig und jede einzelne Entscheidung verkommt zu einem „Gerade-noch-Kompromiss“. Und ein Kompromiss ist meistens nicht das Beste aus mehreren Welten, sondern ein Mischmasch, in dem sich alle gerade noch irgendwie wiederfinden. Außer meistens ein Großteil der Bevölkerung.

Es gilt in einem Koalitionspapier die Themen und Ziele abzustecken und dann muss jede/r in ihrem/seinem übertragenen Ressort weitestgehend eigenständig tätig werden dürfen, ohne dauernde Zwischenrufe der anderen. Da braucht es gegenseitiges Vertrauen, aber natürlich auch eine gute Führung, um das Werkl zusammenzuhalten. Als ich 2015 eine 3-er-Koalition geschmiedet habe, gab man uns maximal sechs Monate. Geworden sind es fünf, nicht gerade erfolglose Jahre.

Koalitionen, auch mit drei Partnern, funktionieren schon, wenn alle gemeinsam an einem vereinbarten Ziel arbeiten und ihre Ideologien und Befindlichkeiten zurückstellen. Dann kann es auch gutgehen mit der wahrscheinlich nächsten Österreichischen Bundesregierung bestehend aus ÖVP, SPÖ und NEOS, auch wenn diese – wie die obige Grafik zeigt – wie jede andere Koalition keine Beliebtheits-Mehrheit hat. Aber derzeit gibt es sowieso keine Regierung, die von einer Mehrheit gewünscht wird.

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