Das Renaturierungsgesetz aus der Gemeindesicht

Vorweg: Ich gehöre zu den 82 % der Österreicher, die dieses Gesetz für gut und wichtig halten und ich gehöre auch zu jenen, die die gestrige Zustimmung von Umweltministerin Gewessler im Namen unseres Landes für richtig halten. Aber zu einer Mehrheit zu gehören, heißt ja noch lange nicht, deshalb automatisch recht zu haben.

Ich habe mir die Mühe gemacht und mir das Gesetz durchgelesen und, so weit es meine juristischen und diesbezüglich fachlichen Fähigkeiten zulassen, versucht nachzuvollziehen. Vielleicht habe ich manches nicht verstanden, aber ich hätte nicht erkannt, was daran negativ wäre, gestörte bzw. zerstörte Ökosysteme in einem gewissen Zeitraum (bis 2050) wieder herzustellen bzw. einen Wiederherstellungsprozess zu beginnen.

Ich hätte nicht erkannt, warum die Wiederherstellung gestörter biodiverser Lebensräume schädlich wäre. Für mich wäre schädlich, nichts zu tun oder weiter zu tun, wie oftmals bislang. Ich hätte nicht erkannt, warum nicht versucht werden sollte, die zurückgegangene Insekten-, Schmetterlings- und Vögelpopulation wieder deutlich zu erhöhen. Ich hätte nicht erkannt, was daran schlecht wäre, wenn Gemeinden angehalten sind, städtische Grünflächen zu vermehren.

Ich bilde mir ein, die entsprechenden Kapitel auch so verstanden zu haben, dass die Ernährungssicherheit, die einige mit diesem Gesetz für gefährdet erachten, immer gegeben sein muss und dass, wenn dies nicht der Fall sein sollte, die Renaturierungsverordnung ausgesetzt werden kann bzw. sogar muss.

Auch die ins Spiel gebrachten, mit diesem Gesetz angeblich verbundenen zahlreichen Enteignungen, hätte ich so nicht herausgelesen. Es geht eher darum, versiegelte Flächen bestmöglich zu entsiegeln, Wälder, wenn noch nicht passiert, naturnahe zu gestalten und Moore wieder zu durchfeuchten. Dass die Renaturierung vorrangig auf bisher von der Landwirtschaft genutzten Ackerflächen passieren soll, wie zeitweise vorgebracht, habe ich nirgendwo gefunden.

Auch der Hinweis, dass dieses Gesetz viel Geld kosten würde, geht für mich ins Leere. Bei der Zerstörung der Natur haben wir auch keine Kosten gescheut – oder groß darüber diskutiert. Und die notwendige Abwehr des mörderischen russischen Angriffskrieges auf ein europäisches Land – und die weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserem Planeten – kosten uns permanent Milliarden. Dann müssen auch Geldmittel für die ökologische Zukunftssicherung vorhanden sein.

Jedes EU-Land hat jetzt 2 Jahre Zeit, Konzepte zu erstellen. Als Bürgermeister erhoffe ich mir, eine noch größere ökologische Mitsprachemöglichkeit bei größeren Bauvorhaben. Einiges können wir im Gemeinderat in der örtlichen Bauordnung regeln, vieles muss ich in stundenlangen Gesprächen mit den Bauwerbern mühevoll herausverhandeln, weil ich es nicht vorschreiben kann. Und würde ich es vorschreiben, wäre die Gemeinde sofort entschädigungspflichtig. Vieles regeln wir dann in privatrechtlichen Verträgen, von denen wir aber nicht zu 100 % wissen, ob sie im Zweifelsfall vor einem Gericht standhalten.

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Bundesregierung bei diesem so wichtigen Thema Geschlossenheit vermittelt hätte. Das Gesetz wurde in den letzten Monaten sowieso stark abgeschwächt und es wurde auf vieles, das anfänglich nicht berücksichtigt wurde, Rücksicht genommen. Ich weiß auch nicht, ob es tatsächlich sinnvoll ist, durch das Stimmverhalten von Ministerin Gewessler eine Verfassungskrise zu vermuten, zumal sich die anerkanntesten Verfassungsrechtler nicht einig sind und zugeben, dass das nicht endgültig geklärt ist. Wenn wir bei allem warten, bis es endgültig juristisch geklärt ist, dann haben wir in vielen Bereichen den Stillstand, den sich hoffentlich niemand erhofft.

Und wenn sich eine Regierung bei einem Thema nicht einig ist und endlos hin- und herdiskutiert, dann muss sich die Bevölkerung erwarten dürfen, dass irgendwer irgendwann den Mumm hat, eine Entscheidung zu treffen. Sei es ein/e Bundeskanzler/-in, ein/e Minister/-in, ein Landeshauptmann/eine Landeshauptfrau oder ein/e Bürgermeister/-in.

In diesem Sinne kann dieses Gesetz, aus meiner bescheidenen Sicht, für eine ökologisch und naturnahe denkende Gemeinderegierung, zu der wir uns zählen, nur zum Vorteil sein, weil wir hoffentlich in Hinkunft vieles noch biologischer regeln und verordnen können. Aber das kommt jetzt auf das Konzept der (nächsten) Bundesregierung an.

5 Gedanken zu „Das Renaturierungsgesetz aus der Gemeindesicht

  1. Gerald Neuwirth

    Danke für deine Stellungnahme. Auch ich finde das Gesetz für gut und wichtig. Danke an Frau Ministerin Gewessler.

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  2. Ein_Moedlinger

    Gratulation an Frau Ministerin Gewessler, die handelt und zu ihrer Überzeugung zum Wohle aller steht.

    Eine weitere Schande dieser verlotterten, korrupten ÖVP – shame on you – once more …

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    1. Herbert Janschka Artikelautor

      Ich denke, dass sich Frau Gewessler ihres Ministeramtes genauso bewusst ist, wie Herr Pink seines Journalistenamtes. Ich weiß nicht, ob es fair ist, einem Menschen das ihm eigene Bewusstsein abzusprechen, wenn man dessen Meinung nicht teilt.

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