MA 2351 – Heutige Folge: Häferl & Gutschein

Diejenigen, die nicht in 2351 Wiener Neudorf zu Hause sind, mögen ungläubig den Kopf schütteln und sich denken: „Na, die Sorgen möchte ich haben!“. Diejenigen aber, die hier wohnen, wissen aber, dass es jetzt um nichts weniger als um „Alles oder Nichts“ geht.

Die Vorgeschichte: Das Weihnachtsmarkt-Komitee (ich nicht darunter), das wohl wichtigste, meistbeschäftigte und geheimnisumwittertste Gremium der Stadt, hat einen folgenschweren Beschluss gefasst, die Folgen nicht ahnend. Dass nicht einmal der Bürgermeister diesem Gremium angehört, macht die Sache plötzlich noch geheimnisvoller und verschwörungstheoretischer. Der Beschluss: Beim Bestellen des ersten Punsches werden die Besucher genötigt, ein Häferl um € 2,50 zu kaufen und damit am Europaplatz von Stand zu Stand zu gehen, um eingeschenkt und nachgeschenkt zu bekommen.

Die politische Opposition, bestehend aus den allerbesten Köpfen der Orts-SPÖ und Orts-FPÖ, erkannte jedoch umgehend diesen größten Skandal seit dem mutwilligen Ampelausfall auf der Hauptstraße anno 1963, als diese noch Biedermannsdorfer Straße hieß. Eine Demonstration und ein Boykottaufruf des Weihnachtsmarktes wurde überlegt, aber des eigenen Durstes wegen wieder verworfen. Was tun? Das zweite Wochenende des Weihnachtsmarktes nahte und nahte, aber kein einziger brauchbarer Vorschlag. Hin und her wurde diskutiert. Was hätte ein Fidel Castro in einer solchen Situation getan? Was ein Nelson Mandela? Ein Ahmed Ben Bella? Oder gar ein Ingenieur Breitfuß? Doch, dann endlich ein paar Stunden vor Ablauf des Zeitfensters, die erlösende Idee. Von wem sie kam, lässt sich nicht mehr feststellen – angeblich will es im nachhinein jede/r einzelne gewesen sein: Ein Gutschein. Heureka!

Rasch wurde über die (un)sozialen Medien die Lösung verbreitet: Wir (also nicht ich darunter, sondern die beiden genannten Parteien) drucken ausreichend € 2,50-Gutscheine und diese allen Besuchern in die Hand. Damit gehen die Besucher (ich darunter) glücklich zu einem der Stände und tauschen den Gutschein gegen ein Häferl. Die Standler wiederum tauschen den Gutschein bei den beiden Parteikassen gegen echtes Geld (naja, also nicht gegen Schilling, sondern gegen Euro). Alle sind glücklich (bis auf die beiden Parteikassiere, aber denen wurde während der Diskussion der Mund zugehalten und bei der Abstimmung die Mitbestimmung verboten). Immerhin hatten wir am ersten Wochenende mit mehr als 1.500 Besuchern (ich darunter) einen absoluten Rekord zu verzeichnen. Und wenn man 1.500 mit 2,5 multipliziert, kann einem Kassier schon leicht schlecht werden.

So weit die Vorgeschichte für das zweite Wochenende (3. und 4. Dezember) unseres Weihnachtsmarktes vor dem Gemeindeamt 2351 Wiener Neudorf, Europaplatz. Damit die Gutscheine nicht umsonst gedruckt werden, hat die Gemeinde mittlerweile für ausreichend Hälferl gesorgt und an die Standler verteilt. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag stehen ab 15:00 Uhr gut sichtbare Funktionäre der SPÖ und der FPÖ irgendwo am Gelände des Marktes und verteilen die Gutscheine. Nachdem jedem Besucher ein Gutschein versprochen wird, wäre es von uns allen äußerst unhöflich, dieses Angebot auszuschlagen – und nicht auch gleich die gesamte Familie mitzunehmen. Also ich zumindest möchte da sicher nicht als unhöflich hingestellt werden und habe meine Cousins vierten Grades, die ich seit Jahrzehnten nicht getroffen habe, bereits informiert.

Aber ganz im ernst: Mir gefällt es, dass sich viele – abseits des Weihnachtsmarkt-Komitees – Gedanken machen, sich einbringen und angestrengt versuchen ihren Teil zum Gelingen beizutragen. So soll es sein. Und genauso funktioniert eine Gemeinschaft.

Wir (also ich) informieren Sie zeitgerecht über die nächste Folge von MA 2351.

16 Gedanken zu „MA 2351 – Heutige Folge: Häferl & Gutschein

  1. Spendelhofer Dagmar

    Es kann auch jede Person ihr eigenes Häferl mitbringen, gibts wenigstens keine Verwechslungen.

    1. Herbert Janschka Artikelautor

      Jawohl, auch das ist ein Lösungsansatz, noch dazu ein kostengünstiger.

      1. P. Huber

        Danke für die Erklärung. Ich habe es nur am Rande mitbekommen, konnte es aber nicht ganz glauben.
        Ich denke das ist eben neben dem Segen auch der Fluch einer so „reichen“ Gemeinde: Die Einwohner/Innen von Wiener Neudorf wurden jahrzehntelang verwöhnt. Nichts darf etwas kosten, alles hat möglichst gratis zu sein. Der Ort ist perfekt sauber und sicher, inzwischen großteils auch wirklich schick, aber dennoch empört man sich über die kleinsten Kleinigkeiten. Insofern ist diese Zeit der sich teils gravierend ändernden Umstände schon auch ganz gut, weil sie die Menschen wieder auf Wesentliches einnordet.

  2. Sax

    Ganz schlimm finde ich, dass nun die vielen Auswärtigen nicht mehr gratis ihr E-Auto tanken können. Wundert mich, dass dies noch nicht zur Sprache kam ?

  3. Johannes R.

    Das ironische an der Geschichte: der Bürgermeister u. vermutlich auch die Gemeinde (steht zwar nicht so im Text, ist aber vermutlich so gemeint) haben damit nix am Hut – das haben wir leider schon des Öfteren gehört ua. erst neulich bzgl. Lärmschutzverbauung – vor 2 Wochen breit im TV stellt sich der Bgm. hin u. schimpft auf die die „böse“ ASFINAG, die ja das unbedingt wollte – die Gemeinde, so der Bürgermeister, war ja strikt dagegen, Geldversschwendung nämlich – ist ja quasi gezwungen worden, zum Bau der Lärmschutzwand hundertausende EUR zuzuschießen! Ich hab das andere Erinnerungen: der Lärmschutz wurde an dieser Stelle u. in der GEmeindezeitung, in zahlreichen Artikeln anderer Meiden seitens Bürgermeister/Gemeinde als ach so tolles Projekt angepriesen, die Vorteile breit argumentiert – u. jetzt plötzlich alles anders… Also, Herr Janschka, bitte übernehmens mal für irgendwas auch die Verantwortung, auch wenn’s in diesem Fall nur um paar Häferl geht…

    1. Herbert Janschka

      Schauen Sie, ich mache weder eine Kindesweglegung noch lasse mich für etwas loben, was ich nicht gemacht habe. Das steht mir einfach nicht zu. In dem „Marktkomitee“, in dem ich durch Kultur- und Veranstaltungsreferent GfGR Patoschka (UFO) verteten bin, hat Frau SPÖ-GRin Schöniger-Müller (als Vertreterin der Naturfreunde, die einen Stand betreiben) die Idee mit der Handhabung der Häferl angesprochen, weil sie dies bei einem anderen Adventsmarkt so gesehen und für gut befunden hat. Das hat den anderen Teilnehmern auch gut gefallen und es wurde umgesetzt. That’s it.

      1. Schöniger-Müller

        Wir haben uns rein gegen Plastikbecher gewehrt und haben im Sinne der Nachhaltigkeit Keramikbecher vorgeschlagen. Niemand sollte jedoch in irgendeinerweise gezwungen werden, diese auch kaufen zu müssen. Ich glaube nicht, dass jemand Probleme gehabt hätte, das Heferl während des gesamten Aufenthalts zu benützen und dafür einen Einsatz zu bezahlen. Die Möglichkeit der Rückgabe hätte jedoch bestehen müssen. Leider haben wir an diesem Standort keine Möglichkeit, die Heferln auch abzuwaschen. Ohne Abwasch zwischendurch haben die Vereine aber alle nicht ausreichend Heferln für diesen Anlass – daher mein Vorschlag über die Gemeinde eine größere Anzahl an einheitlichen Heferln ohne Jahreszahl anzuschaffen. Von Seiten der Gemeinde, oder wie es so nett genannt wird, von Seiten des Kommitees, hieß es lediglich, sie müssen zuerst Kostenvoranschläge einholen, was natürlich nachvollziehbar ist. Mehr haben wir bei diesem Zusammentreffen nicht erfahren – den Rest an Infos erhielten wir bei der Übergabe der Hütten mit der zusätzlichen Information: Erklärts es, sollte aber jemand randalieren, nehmts die Heferln halt zurück. Wäre es wirklich so abwegig gewesen, alle Heferln einmalig am Abend für den nächsten Tag durchzuwaschen? Wir Vereine hätten das wie immer sicherlich selbst erledigt. Es hätte nur die Örtlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen. So hätten auch keine Heferln nachbestellt werden müssen.

  4. Ilse

    Ich gehöre zum Glück weder zu der einen noch zu der anderen Fraktion, aber warum ist der Markt nun an einer der meistbefahrenen Straßenkreuzung in Neudorf und nicht abseits in einem Park (kindgerecht)? Und warum diese Häferl Lösung? Was war die Argumentation/Überlegung des geheimnisumwitterten Weihnachtsmarkt-Komitee´s (Bürgermeister nicht darunter)?

    Denn a) in ein frisch aus der Produktion kommenden und ungewaschenen Häferl etwas eingeschenkt zu bekommen ist echt grausig aber b) das Häferl von Stand zu Stand mitzuschleppen zu müssen und dann noch was damit essen zu wollen, aber es ist eh schon kein Tisch frei und alles muss gehalten werden – is gelinde ausgedrückt – deppat!

    1. Herbert Janschka

      Ich habe schon versucht mehrfach zu erklären: Beim „Marktplatz“ neben dem Migazzihaus ist der Boden sehr aufgeweicht und wir haben in den letzten Jahren Tonnen von Holzschnitzel benötigt, damit die Gäste beim Adventsmarkt nicht im Gatsch stehen. Heuer sind die Holzpreise enorm gestiegen und kein Unternehmen konnte uns eine rechtzeitige Lieferung garantieren. Wir wollten nicht riskieren, dass die Gäste knöcheltief im Gatsch stehen und uns diesen dann auch noch zu den Kunsthandwerkern in den Glassaal des Migazzihauses tragen. Gärtner haben uns abgeraten in den Rathauspark zu übersiedeln (was meine erste Priorität gewesen wäre), weil – abgesehen von den fehlenden Anschlüssen – die Grünfläche total kaputt geworden wäre und die Wiederherstellung viel Geld gekostet hätte. Also blieb die Möglichkeit, den Markt abzusagen oder diesen von das Gemeindeamt zu verlegen. Und – vielleicht war das ein Fehler – deshalb habe ich dafür votiert, den Markt vor dem Gemeindeamt zu machen. Offenbar ist der Platz kein schlechter, denn 1.500 Gäste an einem Wochenende hatte der Markt im Klosterareal noch nie.

      Mir ist schon bewusst, dass nicht alle wissen, was ein Bürgermeister alles zu tun hat – aber, glauben Sie mir, mein Arbeitstag geht normalerweise von spätestens 5.30 Uhr bis in die späten Abendstunden. Da kann man einfach nicht überall dabei sein und es gibt eine Reihe von Ausschüssen und Arbeitsgruppen, denen ich nicht angehöre (obwohl ich natürlich überall Zutritt habe) und bei denen ich nicht immer dabei bin und dabei sein kann. Unsere Gemeinde verfügt über 240 Mitarbeiter/-innen und mehr als 30 Gemeinderäte und vielen Vereinen und und und …. Und alle arbeiten auch gerne selbständig und möchte nicht immer nur auf den Zuruf eines Bürgermeisters warten. In einer Gemeinde unserer Größenordnung entscheidet nicht nur der Bürgermeister alles alleine. Wir leben ja glücklicherweise in einer Demokratie.

      Wie es zu der Häferl-Lösung kam, habe ich in einem vorherigen Kommentar erklärt. Dass die getroffene Lösung für Sie eine „deppate“ ist, wie Sie schreiben, ist zur Kenntnis zu nehmen. Und selbstverständlich sind die Häferl alle gewaschen.

      1. Ilse

        Danke für Ihre ausführliche Antwort. Gut zu wissen, dass der Bürgermeister nicht immer das letzte Wort hat….
        Im übrigen verzeichnet heuer jeder Weihnachtsmarkt mega Besucherrekorde! Das wäre auch im Klosterpark so gewesen. Und es gibt Alternativen zu „Hackschnitzel“ – Stroh (was nicht mehr als Futter verwertbar ist), Rindenmulch, Sägespäne….. oder man hätte die Hütten halt nur da hin gestellt wo fester Untergrund ist oder teilweise am Parkplatz. Klar, des ist dann a relativ kleine Fläche, aber die vor der Gemeinde ist auch nicht gerade groß?! Und apropos Rasenfläche, um die schert sich nach der Feier im Marienpark auch keiner.

  5. Tobias

    Die ÖVP weiß wie immer (oder zumindest die Rädelsführer) von nichts – ist ja schon System.

    Zum Thema Häferl für alle sehe ich aber bei FPÖ und spö im Facebook nix – lediglich solange der Vorrat reicht (für jeden einsehbar) deswegen ist ihr Beitrag entweder Satire oder sie schreiben grob bewusst Unwahrheiten mit der Gefahr noch mehr Zorn der Besucher auf sich zu laden.

    Der Standort ist auch ein Wahnsinn aber das wussten sie natürlich auch nicht.

    1. P. Huber

      Ich finden den Standort tadellos – um das auch einmal zu deponieren.
      Im Klosterpark war die letzten Jahre vor Corona wenig los, immer wieder waren Hütten nicht/später offen oder früher zu, das ganze machte den Eindruck der Lust- und Lieblosigkeit.
      Ich bin letztes Wochenende beim Rathaus durchgegangen (So). Es waren viel mehr Leute als damals im Klosterpark und die Stimmung war sehr gut. Scheint also ganz gut angekommen zu sein.
      Ich kann dieses Geraunze überhaupt nicht nachvollziehen. Aber wahrscheinlich bin ich nicht romantisch/sentimental genug um mich da tief genug hineinzuversetzen.
      Das Problem heute ist, dass sich in erster Linie die Raunzer und Kritiker in den unsozialen Medien (perfekter Ausdruck) bemerkbar machen und nicht die schweigende Mehrheit. Dadurch entstehen völlig absurde Blasen.

    2. Herbert Janschka

      Wenn der Standort ein Wahnsinn ist, dann würde ich an Ihrer Stelle nicht hingehen. Aber vielleicht ist dieser Vorschlag nur Satire – wer weiß!

      Und: Vertrauen Sie mir, der Vorrat an Häferl reicht. Dafür wurde gesorgt.

  6. Christkind

    Das ist ja mal eine lustige Diskussion ? ich versteh aber gar nicht, wieso Gutscheine gedrückt werden müssen (Papierverschwendung?) ist ja überall normal, dass man einfach z b 2,– Euro Einsatz zahlt, den man dann halt als 2,– Euro wieder zurückbekommt? Wieso ist das so kompliziert? Wie auch immer, der Markt schaut nett aus. Rückmeldungen zu Veränderungen find ich auch normal und hier ist nunmal die „Anlaufstelle“. Frohe Weihnachten an alle! ?

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