Notkompetenz: Was darf ein Bürgermeister?

Bürgermeister-Notkompetenz anhand des Beispiels „Wien Energie“

Seit der Wiener Bürgermeister-Kollege Ludwig aufgrund der Notkompetenz-Richtlinie dem Unternehmen „Wien-Energie“ mit insgesamt 1,4 Milliarden Euros unter die Arme gegriffen hat – im Alleingang und ohne Genehmigung des Gemeinderates – stellt sich die Frage: Darf ein Bürgermeister das denn?

Die Wiener und Niederösterreichische Gemeindeordnungen sind in einigen Bereichen unterschiedlich, aber so anders auch wieder nicht.

Im § 38 der NÖ Gemeindeordnung heißt es: Kann bei Gefahr im Verzuge der Beschluss des zuständigen Kollegialorganes (Gemeindevorstand oder Gemeinderat) nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde abgewartet werden, ist der Bürgermeister berechtigt, anstelle des sonst zuständigen Organes tätig zu werden. Der Bürgermeister hat über Maßnahmen dem zuständigen Organ in der nächsten Sitzung zu berichten.

Das heißt, ein Bürgermeister kann, darf und soll in einem solchen Fall alleine entscheiden. Er braucht auch keinen nachträglichen Beschluss herbeiführen. Er muss nur in der nächsten Sitzung darüber berichten.

In diesem Sinne hat Bgm. Ludwig aus meiner Sicht zumindest nicht unrechtmäßig gehandelt, wenngleich – bei allem Respekt – nicht gerade schlau.

Auch ich musste schon in dem einen oder anderen Fall von dieser Notkompetenz-Möglichkeit Gebrauch machen. Jeder Bürgermeister übt sein Amt individuell aus und so wie er es für richtig hält. Ich handhabe meine Informationspflicht anders, als es offenbar anderswo üblich ist. Durch die Erfindung des E-Mails ist es relativ leicht und einfach, die Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates von einer Notkompetenz-Maßnahme umgehend in Kenntnis zu setzen. Andererseits hätte ich mich – bei so einem großen und heiklen Thema – nicht gescheut den Gemeinderat zu diesem wichtigen Thema auf der Stelle zusammen zu holen, um persönlich darüber zu berichten. Ferien- oder Urlaubszeit hin oder her.

Es kommt sicherlich auf das Thema und die Dimension an, die ein Beschluss aufgrund der Notkompetenz mit sich bringt. Ich hätte in jedem Fall anstelle von Kollegen Ludwig umgehend alle Gemeinderäte verständigt. Erstens müsste ich ja sowieso in einigen Wochen darüber berichten und es würde öffentlich. Dann hätte ich mir die Frage gefallen lassen müssen, warum ich das so lange verschwiegen und vertuscht habe. In diese Situation hat sich Bgm. Ludwig jetzt selbst hineinmanövriert. Und ein Betrag von 1,4 Milliarden Euros ist ja auch für Wien kein Pappenstil. Und zweitens ist es durchaus einsichtig, dass ein Bürgermeister einem Energieunternehmen, das für 2 Millionen Kunden (darunter im übrigen auch der Großteil der Wiener Neudorfer/-innen) verantwortlich ist, helfen muss, wenn dieses in eine so plötzliche Schieflage gerät. Und es ist auch nachvollziehbar, dass das umgehend passieren musste und keinen Aufschub (wie die Einholung eines Gemeinderatsbeschlusses) duldete. Natürlich gehört ordentlich untersucht und aufgeklärt, was da passiert ist und wie das passieren konnte. Aber auch dafür sollte und wird der Wiener Bürgermeister allen voran ein Interesse haben.

Nur damit wir da eine Dimension haben. Wien ist etwa 200 Mal größer als Wiener Neudorf. Heruntergebrochen würden 1,4 Milliarden für Wien 7 Millionen für Wiener Neudorf bedeuten. Da geht es also schon um etwas mehr als um eine Kleinigkeit. Da gebietet es auch der Respekt vor den vom Volk gewählten Organen, dass man diese umgehend davon in Kenntnis setzt. Ich persönlich hätte mich als Wiener Gemeinderat jedenfalls sehr geärgert, wenn ich das aus den Medien erfahren hätte.

Ein Gedanke zu „Notkompetenz: Was darf ein Bürgermeister?

  1. Jutta Tillmann

    Sehr geehrter Herr Bürgermeister Janschka!

    Ihre Betrachtung der Notkompetenzen der Bürgermeister ist sehr kurz gedacht. Der zugrundegelegte Vergleich der relevanten Rechtsnormen und der Funktionsträger vermisst wesentliche Punkte. Eine objektive Information über das Können, Dürfen und Sollen eines niederösterreichischen Bürgermeisters ist damit nicht gegeben. 

    Die Subjektivität Ihrer persönlichen Annäherungen an Bundespräsidenten, Landeshauptmänner und Bürgermeister ist  selbstverständlich Ihnen überlassen. 

    Alles Gute! Jutta Tillmann 

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