Wenn wir die Welt drei Jahre zurückdrehen, in die Vor-Corona-Zeit, in die Vor-Inflations-Zeit, in die Vor-Energiekrisen-Zeit, in die Vor-Ukrainekriegs-Zeit, da war unser aller Leben weitestgehend in Ordnung. Nur wussten es nicht alle. Viele vermeinten, uns ginge es schlecht und es müsste uns besser gehen. Heute würden wir vieles darum geben, wenn sich die Gegebenheiten des Jahres 2019 einfach nur weitergezogen hätten. Aber das wussten wir vor drei Jahren ja noch nicht. Hätten wir gewusst, was kommt, dann wären wir damals insgesamt zufriedener gewesen und hätten weniger geraunzt.
Ich weiß nicht, wie es uns in drei Jahren ergehen wird. Vielleicht hätten wir im Jahr 2025 gerne die heutigen Probleme, weil sich diese dann möglicherweise enorm vergrößert haben werden. Möglicherweise wünschen wir uns dann die eher noch verträglichen Entbehrungen der Jahre 2020 und 2021 zurück. Aber vielleicht wird auch das Gegenteil passiert sein. Vielleicht ist 2025 längst wieder Friede in der Ukraine. Vielleicht fließt wieder Gas zu halbwegs vernünftigen Preisen durch Nord-Stream-1? Vielleicht hat sich die Inflation bis dahin wieder beruhigt? Vielleicht haben wir das verdammte Virus dann endlich endgültig ausgerottet?
Aber wichtiger und naheliegender für uns ist die Frage, wie es in den nächsten Monaten werden wird. Naheliegend ist, dass Herr Putin die ab morgen beginnenden Wartungsarbeiten der Gas-Pipeline dazu nutzen wird, uns den Gashahn für längere Zeit abzudrehen – natürlich mit höchstwahrscheinlich erfundenen Begründungen. Er kann unmöglich ein Interesse daran haben, dass wir unsere Gasspeicher vor dem Winter befüllen und damit von seiner Gas-Politik unabhängiger werden. Zumal es strategisch gelungen ist, den Gasinhalt durch den russischen Gazprom-Konzern zu vermarkten, auch wenn Gasspeicher der Republik Österreich gehören. Und das Gas aus österreichischen Speichern wird derzeit an den geliefert bzw. vermarktet, der am meisten zahlt, wie derzeit im Zweifelsfall ins Ausland.
Wir hören die beschwichtigenden Worte, dass für die kommende Heizperiode die Gaslieferungen an Privathaushalte in jedem Fall nicht gefährdet sein sollen. Gut, das eine oder andere Grad möge zurückgedreht, Möbel sollen von vor den Radiatoren weggestellt und die Radiatoren selbst gut entlüftet werden. Was mit den privaten enorm steigen werdenden Gasrechnungen passiert, die sich finanzschwache Haushalte dann nicht leisten werden können, wird noch diskutiert. Schau ma mal, dann sehen wir schon!
Wir hören auch, dass im Zweifelsfall Gaslieferungen an Unternehmen gestoppt werden – natürlich nur an nicht systemrelevante. Welche das sind, ist unbekannt. Falls es so weit kommt, dann werden auch etliche Firmen aus Wiener Neudorf betroffen sein. Dass das wieder zur Kurzarbeit und im Extremfall zu Kündigungen und – hoffentlich nicht- Insolvenzen führen kann, liegt auf der Hand. Die Auswirkungen auf das Gemeindebudget sind nicht einzuordnen.
Jede/r, der mich kennt weiß, dass ich ein sehr optimistischer Mensch bin, aber ich befürchte, die Situation nach dem Sommer wird arg, möglicherweise sehr arg. Bund, Länder und Gemeinden sollten eine abgestimmte Vorgehensweise überlegen und entwickeln. Wir sollten uns gemeinsam auf Szenarien vorbereiten, auch wenn sie dann (hoffentlich) gar nicht eintreten. Ich weiß nicht, ob es Überlegungen dazu gibt. Die Gemeinden werden diesbezüglich außen vor und allein gelassen, auch wenn es letztlich die Gemeindeverwaltungen sind, die dann vieles zu bewältigen und umzusetzen haben. So werden wir uns in Absprache und Austausch mit anderen Gemeinden bestmöglich darauf vorbereiten, soweit wir uns darauf vorbereiten können. Und wir werden weiter darauf warten, dass uns der Bund ins Boot holt und an seinen Überlegungen teilhaben lässt.
Aber nachdem sämtliche ernst zu nehmenden Experten uns auf eine neue Corona-Welle im Herbst vorbereiten, wollen wir alle einen halbwegs sorgenfreien Sommer durchleben. Da passen derzeit diese negativen Störthemen wie Gasengpass, Inflation, Klimakrise, Ukraine-Krieg oder Virusmutation überhaupt nicht ins Konzept. Während in anderen Ländern längst am Problem gearbeitet wird, diskutieren wir in altbewährter österreichischer Mentalität in aller Ruhe, wer an der Ursache Schuld hat und welche Partei in den letzten Jahrzehnten die russlandfreundlichere Politik gemacht hat, die uns in diese prekäre Situation gebracht hat. Als ob uns das jetzt einen Zentimeter weiterbringen würde.
Wir steuern – ich hoffe, ich irre mich – wahrscheinlich auf ganz schwierige Zeiten zu. Statt diesem kindlichen und kleinlichen politischen Hick-Hack auf Bundesebene, sollten sich die positiven Kräfte endlich „auf ein Packl hauen“ und gemeinsam darangehen, uns bestmöglich durch die nächsten Monate zu navigieren.