Der August eignet sich perfekt, Themen aufzugreifen, die in anderen Monaten zu kurz kommen. Journalisten nennen dies das Füllen des Sommerlochs. Mein heuriges Thema ist: Das Gendern. Immer wieder ertappe ich mich dabei, im Gemeindeblatt in der traditionellen (sprich: veralteten) Schreibweise zu verharren und beispielsweise von „Radfahrern“ zu schreiben. Viele fühlen sich heutzutage dadurch nicht angesprochen, weil sie Radfahrerinnen und keine Radfahrer sind. Aufmerksame Leser (und Leserinnen) fällt dies auch auf, machen uns darauf aufmerksam, und obwohl es im Gemeindeamt mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter gibt, die Korrektur lesen, passieren diese frauenfeindlichen Hoppalas.
In vergangenen Jahren saß ich im Präsidium des Österreichischen Schriftstellerverbandes und gleich nach Erfindung des Genderns (vulgo: Vergeschlechtlichung) haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie wir jetzt unsere Mitglieder ansprechen sollen, nachdem uns die Bezeichnung „Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen“ mehrheitlich nicht gefallen hat. Die Anrede: „Liebe Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ war uns zu lang und umständlich, was die deutsche Sprache gegenüber anderen Sprachen sowieso generell schon ist. Also begaben wir uns auf die Suche nach einer verschriftlichten Verkürzung, bei der sich unsere weiblichen und männlichen Mitglieder gleichsam angesprochen fühlen. Zur Wahl standen „Liebe Schriftsteller*innen“, „Liebe SchriftstellerInnen“, „Liebe Schriftsteller:innen“, „Liebe Schriftsteller_innen“ und „Liebe Schriftsteller/-innen“. Mir gefiel die letzte Schreibweise am besten. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass es keine einheitliche Meinung gab und wir dieses Problem nicht zu einer gemeinsamen Lösung fertigdiskutiert haben.
Politisch korrekt handelnde Politiker müssen gendern, um für alle wählbar zu sein und keinem Shitstorm auf Facebook oder anderen Medien ausgesetzt zu werden. Aber auch dieser Satz ist missverständlich, denn eigentlich könnte er bedeuten, dann nur alle männlichen Politiker gendern müssen und die Kolleginnen wären außen vor. Also hätte ich schreiben müssen: Politisch korrekt handelnde Politiker/-innen müssen gendern, um ….
Hätte ich vor 20 Jahren geschrieben, dass alle Bäcker zeitig aufstehen müssen, dann hätte alle zustimmend genickt. Heute würde ich erboste Leserbriefe bekommen, weil ich vergessen hätte zu erwähnen, dass nicht nur alle Bäcker, sondern auch alle Bäckerinnen zeitig aufstehen müssen und dass mir das als Macho offenbar egal wäre.
Eigentlich ist auch meine Berufsbezeichnung falsch. Bürgermeister!? Ich vertrete ja nicht nur die Bürger, sondern auch die Bürgerinnen. Noch vor 20 Jahren hätten sich auch alle Damen als Bürger verstanden, heute müsste es richtig heißen: Bürger/-innenmeister. Wäre ich andersgeschlechtlich auf die Welt gekommen, dann wäre ich eine Bürger/-innenmeisterin. Unser Bezirkshauptmann müsste bei einer Bürgermeisterkonferenz eigentlich mit der Begrüßung beginnen: „Liebe Bürger/-innenmeister/-innen ich begrüße Sie zu unserer heutigen Bürger/-innenmeister/-innenkonferenz“. Das wäre zwar kompliziert, unverständlich und zungenbrecherisch, aber politisch korrekt.
Ich frage mich schon die längste Zeit, wie das unsere Nachbarn machen. Wir haben es gut: Bei uns gibt es Österreicherinnen und Österreicher. Aber in Deutschland? Dort gibt es Deutsche und …….? Deutschinnen? Deutscha? Deutschovas? Oder fühlen sich dort unter „Deutsche“ alle angesprochen, so wie sich früher bei uns alle unter „Österrreicher“ angesprochen gefühlt haben. Gut möglich, denn selbst bei „Heimat bist Du großer Söhne“ haben sich jahrzehntelang auch die Töchter als mitgemeint betrachtet, so wie es die Autorin auch geschrieben hat.
Es dürfte aber bei uns noch viele geben, die sich auch ohne das neumodische Gendern auskennen. Ich beobachte mittlerweile seit einigen Jahren mit großem Interesse, dass auch die Damenwelt das Bürgerservice des Gemeindeamtes aufsucht, dabei haben wir es noch gar nicht in „Bürger/-innenservice“ umbenannt.
Dieser Blogbeitrag soll aber nicht den Anschein erwecken, dass ich der Gleichberechtigung von Frau und Mann entgegenstehe. Ich überlege nur für mich, ob man tatsächlich irgendetwas erreicht oder bewirkt, indem man die Sprache verkompliziert, verlängert und eigentlich unleserlich bzw. unrednerisch macht. Angeblich sind über 80 % gegen das Gendern und für die Wiederabschaffung von „-innen“, darunter sogar eine satte weibliche Mehrheit. Aber wer weiß, ob das stimmt und wer diese Statistik eventuell gefälscht hat.
So, damit habe ich für heuer mein persönliches Sommerloch gefüllt, das glücklicherweise sächlich ist. Ich hätte nicht gewusst, wie ich es gendern soll.