HYGIENE AUSTRIA made in China

„Hygiene-Austria-Masken“: links in Wiener Neudorf erzeugt, rechts in China!

Im April 2020 traf ich das erste Mal die drei neuen Eigentümer der Palmers Textil AG, die Brüder Tino und Luca Wieser sowie Matvei Hutman. Dabei wurde mir die Idee einer inner-europäischen Schutzmaskenproduktionsstelle vorgestellt. Es ging nicht darum, die Masken qualitativ besser, sondern es ging darum, Europa vom chinesischen Markt unabhängiger zu machen. Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden bekannten Konzernen Palmers und Lenzing stand im Raum. Als Betriebsstätte kämen Gebäude am Palmers-Gelände in Frage. Was ich dazu sagen würde, wenn man dies Mitten in Europa, in Österreich, in Wiener Neudorf verwirklicht würde.

Gerade hatten wir mit den Grundeigentümern die jahrelangen Verhandlungen um den Öko-Park abgeschlossen. Der Grundgedanke war ein einzigartiges Betriebsgebiet mit Umwelt- und Gesundheitsbetrieben zu entwickeln. Wenige Monate zuvor hatte die Eurofins, Österreichs größtes privates Gesundheits- und Umweltlabor seinen Betrieb direkt südlich des Palmershochhauses aufgenommen. Das war genau die Art von Betrieben, die uns im Gemeinderat vorschwebten. Und da kam die Idee „Hygiene Austria“ zu dieser Zeit genau an diesem Ort.

Natürlich war ich „Feuer und Flamme“. Es wäre eigenartig, wenn ich anders reagiert hätte. Der Betrieb wurde aufgenommen, von mehr als 100 Mitarbeiter/-innen war die Rede, die nach und nach aufgestockt werden sollten. Mehrere Millionen Nasen-Mund-Schutz-Masken pro Monat sollten erzeugt werden. Auch FFP2-Masken sollten produziert werden, aber nur im geringen Ausmaß, denn diese waren damals nur für den sanitären und medizinischen Bereich im Einsatz. Es war – zumindest mir – völlig unbekannt, dass das einige Monate später eines unserer wichtigsten Kleidungsstücke werden sollte. Dass zur Firmeneröffnung die politische Gemeinde-, Bezirks-, Landes- und Bundesspitze antanzte, war wohl auch logisch und selbstverständlich.

Warum letztlich aus dieser tollen Idee, die ein gutes nachhaltiges Geschäftsmodell hätte werden können, ein Scherbenhaufen geworden ist, das werden laufenden Untersuchungen aufzeigen. Dass vorerst – bis zur Feststellung der Rentabilität – vorrangig Leiharbeiter beschäftigt werden, kann ich nachvollziehen. Dass dabei mit eher eigenartigen Leiharbeiterfirmen Verträge abgeschlossen wurden, kann ich nur nachvollziehen, wenn damit ein Zweck verbunden war. Dass eine plötzliche Auftragsexplosion Schwierigkeiten bei der Produktion und der Lieferzeiten entstehen, kann ich nachvollziehen. Ich kann auch nachvollziehen, dass man sich Subunternehmen bedient. Nachdem Chinesische Produktionsfirmen bei der Erzeugung von FFP2-Masken mit Sicherheit eine hohe Kompetenz haben, kann ich auch derartige Geschäftsbeziehungen nachvollziehen. Dass diese Masken dann umetikettiert wurden, um offenbar eine Erzeugung in Österreich vorzutäuschen, kann ich nicht nachvollziehen.

Ich denke, es wäre völlig leicht, unverfänglich und verständlich gewesen, hätte die Fa. Hygiene Austria offen zugegeben, dass die Bestellmengen in kürzester Zeit derart explodiert sind, dass man sich bis zum Ausbau der eigenen Kapazität chinesischer Subunternehmen bedient, nachdem es dort eine nachweislich große Erfahrung – und auch freie Produktionsmöglichkeiten – gibt. Es ging, wie eingangs erwähnt, nie darum, das Produkt besser zu machen. Die chinesischen Masken sind ja um nichts schlechter, gefährlicher oder virusverbreitender.

Die Untersuchungen werden zeigen, ob der überall als solcher bezeichnete „Masken-Skandal“ ein Management-Fehler war, ob es reine Dummheit war, ob es ein geplanter krimineller Akt war – oder ob sonst eine andere Ursache dahintersteckt.

Erinnern wir uns an den „Wein-Skandal“ des Jahres 1985. Der Skandal wurde als Chance genützt, rasch aufgearbeitet und rasch die Weinproduktion auf komplett neue Beine gestellt. Österreichs Weine galten bald danach (und gelten bis heute) als besonders gut, wertvoll und unverfälscht und brauchen keine Vergleich scheuen. Vielleicht gelingt dies der Maskenproduktion in Wiener Neudorf auch.

5 Gedanken zu „HYGIENE AUSTRIA made in China

  1. Wiener Neudorfer

    Lieber Herr Janschka!

    Ich kann Ihrem Bericht nur zu 100 Prozent zustimmen.

    Dazu nur ein paar persönliche Meinungen.
    Wir westlich zivilisierte Menschen neigen immer mehr dazu, vom Sofa aus alles besser zu wissen, beurteilen und verurteilen zu können.
    Ich sage immer recht traurig,
    „Aus dem wunderbaren Deutschland, dem Land der Dichter und Denker ist ein Land der selbsternannten Richter und Henker geworden.“

    Deshalb erspare ich mir hier meine Meinung zu Gier, Betrug, Korruption und Lohnsklaverei.

    Aber eines war doch klar, man kan in einem Hochlohn-Land wie Österreich keine Massenfertigung von Billigprodukten wie MNS und FF2/3 Masken gewinnbringend aufziehen, ohne maximale Produktionskostenminderung einzusetzen.

    Das fängt beim Personal an, da landet man quasi unausweichlich bei Lohndumping, Leiharbeit, Sozial-Abbau und Schlimmeren.
    Das geht weiter beim eigenen Management und bei den Firmenstrukturen.
    Betrifft auch die Rohstoff-Beschaffung, den Maschinenpark und die Logistik.
    Es endet dann beim österreichischen Steuer- und Abgabensystem.
    Die letzte Aufgabe ist dann die Vermarktung, im In- und im Ausland.

    Nicht mal in Österreich würde jemand freiwillig überteuerte Masken kaufen, in der Rest-EU doch schon gar nicht.
    Und nach dieser Ent-Täuschung ist dieser Traum für immer vorbei.

    Österreich wird auch nie eine alleinige Impfstoffproduktion stemmen können, wir haben nicht mal die Fertigungs-Firmen dafür!
    Es gibt derzeit zwei Firmen, die das „theoretisch“ können, die eine stellt, so glaube ich, nur Teile von Impfstoffen (nur für Viehzucht?) her, die andere hat so etwas überhaupt noch nie produziert, hat aber am Papier das Know-how dazu.

    Das wird der nächste Mega-Flop.

    Einer Ihrer Überlegungen muß ich aber widersprechen, als „Managementfehler“ alleine kann man das nicht bezeichnen.

    Lenzing hat schon die Notbremse gezogen, um ihren Weltruf nicht noch weiter zu beschädigen.

    Schade, dass das so gekommen ist.

    LG

    1. Herbert Janschka Artikelautor

      Nur noch ein (Ab)Satz von mir: Wenn wir von der Gemeinde mit der Hygiene Austria zu tun hatten, dann waren das vor allem Personen, die von Lenzing gestellt wurden. Es ist mir demnach ein wenig unerklärlich nunmehr zu hören, dass Lenzing nichts von alledem gewusst haben soll. Aber, wie Sie richtig bemerken, vom Sofa aus derartiges zu be- oder verurteilen, ist ein sehr bequemer und oft falscher Ansatz. Ich jedenfalls bin auf die Aufarbeitung schon sehr gespannt.

  2. Hannelore Schmid

    Lieber Herr Bürgermeister!

    Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie Feuer und Flamme waren als sich diese Firma in Wr. Neudorf ansiedelte. Schließlich bedeutet die prognostizierte Mitarbeiteranzahl von mehr als Hundert eine schöne monatliche Kommunalsteuer für die Gemeinde.
    Wenn es so ist, dass die Firma lediglich mit elf fixen Mitarbeitern gearbeitet hat, dann muss sich das auch bei der Kommunalsteuer, die bis jetzt eingegangen ist, bemerkbar gemacht haben.
    In den ersten sechs Monaten der Überlassung von Arbeitskräften ist die Kommunalsteuer an die Gemeinde zu bezahlen, in der der Überlasser seine Betriebsstätte unterhält. Bei wechselnden Arbeitnehmern wird das also wahrscheinlich kaum so weit gekommen sein, dass die Gemeinde Wr. Neudorf profitiert hat?
    Nachdem sich zumindest eine der Überlasserfirmen einer anderen Leiharbeitsfirma bedient hat, die bereits auf der Scheinfirmenliste des Bundesministeriums für Finanzen gelistet ist, wird es interessant sein, wer für die Auszahlung der Entgelte an die Arbeiter/Innen und die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge haften wird denn gesetzlich ist eine Mithaftung des Beschäftigers, also Hygiene Austria, vorgesehen.

    1. Oliver Woller

      Schwarzarbeit steht bei „Hardliner“ ÖVP Betrieben durchaus auf der Tagesordnung und wird seitens der Partei wohl auch gekonnt unter den Teppich gekehrt.
      Die Regierungs-Vernetzung von Hygiene Austria ist auffällig. Da profitieren 2-3 Leute auf Kosten anderer bzw. der Gesellschaft.
      War bei der ÖVP aber noch nie anders.

      Frau Hannelore Schmid hat alles gesagt. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

      Hygiene Austria ist politisch gut vernetzt: Ihr Chef Wieser ist der Schwager von Lisa Wieser, der Büroleiterin von Sebastian Kurz. Und nicht nur der Kanzler besuchte die Fabrik in Wiener Neudorf, auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (alle ÖVP) schauten vorbei.
      Die FFP2-Masken von Hygiene Austria wurden nicht in Österreich zertifiziert. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen sagt: „Die Masken sind nicht von uns zertifiziert worden“. Hygiene Austria nutzte die gesetzliche Möglichkeit, die Masken in einem anderen EU-Land prüfen zu lassen.
      Der Rahmenvertrag zwischen Hygiene Austria und Bundebeschaffungsbehörde bleibt dennoch bestehen. Als die Regierung Ende November beschließt, jedem über 65-Jährigen zehn FFP2-Masken zuzuschicken, sind die Masken der Hygiene Austria die Wunschmasken der Regierung.
      Verhandelt wird über ein Auftragsvolumen von 15 bis 20 Millionen Euro. Das Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober (Grüne) entwickelt im Zuge der Verhandlungen Zweifel an der Qualität der Masken, auch aufgrund der schlechten Bewertung durch das Verteidigungsministerium.
      Von 200 Beschäftigten bei Hygiene Austria sollen nur elf fix angestellt gewesen sein. „Das bedeutet, dass hier von Anfang an nur kurzfristige Gewinne im Mittelpunkt standen und kein langfristiger Betrieb geplant war“.
      Einen Betriebsrat gab es in Wiener Neudorf trotz der Betriebsgröße nicht. Die Leute waren zum Teil nicht oder falsch bei der Sozialversicherung angemeldet oder bekamen zu wenig bezahlt. Es soll mindestens einen schweren Arbeitsunfall gegeben haben. Viele Arbeiter sollen immer noch auf ihr Gehalt warten.
      Der Chef von Hygiene Austria hat 2015 mit seinem Bruder und ein paar Investoren die Unterwäschenkette Palmers gekauft. Einer davon: Matvei Hutman, ein gebürtiger Russe, dessen Familie eine Stiftung in Liechtenstein gehört. Diese Stiftung hält Palmers zur Hälfte. An sie soll jüngst eine Rechnung aus China ergangen sein: 20 Millionen chinesische Masken soll Hygiene Austria über Liechtenstein abgerechnet haben. Ein heimischer Vermittler, der 20 Millionen in China gefertigte Masken nach Wiener Neudorf geliefert hat, schien sich zu wundern, warum die Rechnung an eine Stiftung in Liechtenstein gehen soll. Vermutlich um zu verschleiern, dass die Masken gar nicht in Österreich gefertigt wurden, sondern nur umetikettiert.

    2. Herbert Janschka Artikelautor

      Sie haben natürlich recht, dass dieses Unternehmen – aus den von Ihnen genannten Gründen – für das Kommunalsteuer-Konto der Gemeinde keine Rolle gespielt hat. Alles andere muss erst geklärt werden.

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