
Immer wieder ist vom „schlanken“ Staat die Rede. Auch in der obigen Zeichnung eines meiner Lieblingskarikaturisten, Jan Tomaschoff. Immer wieder kommt das Thema einer Verwaltungsreform hoch, vor allem wenn es einen Aufreger gibt, wie jetzt die Wirtschaftskammer. Ich kenne die Struktur dort zu wenig und maße mir kein Urteil an, aber für ein kleines Land wie Österreich scheinen 10 Wirtschaftskammerpräsidenten und über 40 Vizepräsidenten ein wenig übertrieben. Dasselbe gilt für die Arbeiterkammer – und so weiter.
Immer wieder ist von einer Verwaltungsreform die Rede und immer wieder versandet dieses Thema oder wird in Arbeitskreise verschoben. In Wirklichkeit traut sich keiner eine echte Reform angehen, weil das mit enormem Widerstand verbunden wäre. Österreich hat 2.092 Gemeinden. Deutschland hat beispielsweise 9 x so viele Einwohner, aber nur 5 x so viele Gemeinden. In Wirklichkeit könnte man viel mehr Gemeinden – und damit Verwaltungen – zusammenlegen. Aber das ergäbe einen enormen Aufschrei. Wiener Neudorf hat gesetzlich vorgeschrieben 33 Gemeinderäte (wenn wir noch 300 Einwohner zulegen, dann kommen wir über 10.000 Einwohner – und damit auf 37 Gemeinderäte). Wahrscheinlich ziehe ich mir jetzt den Ärger von allen Fraktionen (auch meiner) zu, wenn ich mit einer 16jähriger Bürgermeistererfahrung behaupte, dass wir auch mit 20 Gemeinderäten das Auslagen finden würden. Ich behaupte weiters, dass wir österreichweit leicht und locker von den insgesamt 40.000 Gemeinderäten auf ca. 25.000 reduzieren könnten – und niemand würde irgendetwas merken. Das ist nur eines von zig Beispielen.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Österreich wirklich 4 Verwaltungsebenen (Staat, Land, Bezirk, Gemeinden) brauchen. Aus meiner Sicht ist eine Ebene davon entbehrlich. Bund und Gemeinden (in einer richtigen Größenordnung) wird man brauchen. Aber da eine Änderung auch nur anzudenken, würde einen Aufschrei erzeugen. Ich kann das tun, weil ich ein parteiunabhängiger Bürgermeister bin. Wäre ich in einer Partei verankert, würde wohl nach Veröffentlichung dieses Blogbeitrages jemand aus der Bezirks- oder Landespartei anrufen und mich fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte.
Richtige Reformen sind halt extrem gefährlich. Weil das richtige zu tun, oft auch vom Wahlvolk abgestraft wird. Das ist wohl auch das Hauptargument in vielen Parteizentralen. Natürlich ist es logisch, dass wenn wir ständig insgesamt älter werden, wir auch länger arbeiten müssen und damit das Pensionsalter angehoben werden muss. Auf diese Erkenntnis würde wohl jeder Volksschüler kommen. Aber seit Jahrzehnten hören wir halt gerne, dass das Pensionssystem langfristig abgesichert ist und wer was anderes sagt, lügt oder hätte etwas nicht verstanden. Das Wahlvolk hört so etwas gerne – und glaubt so etwas gerne.
Und natürlich wäre die Spitalsreform, die beispielsweise die Steiermark gerne angegangen wäre, wahrscheinlich das richtige Projekt gewesen. Aber das Richtige zu versuchen heißt in der Politik sehr oft abgewählt werden. Einfach weil es Populisten (vor allem wenn sie nicht regieren) seit Einführung der Demokratie leichter fällt, erfolgreiche Argumente dagegen zu finden, die auf fruchtbaren Boden fallen. Das ist mittlerweile ein weltweites Phänomen.
Wähler wählen halt das lieber, was sie gerne hören wollen und woran sie lieber festhalten oder glauben möchten. Auch wenn es offensichtlich falsch ist. Es ist einfach ein schwieriges Umfeld für die Umsetzung einer effektiven Verwaltungsreform. Deshalb werden wir wohl eher weiter beim „dicken“ Staat bleiben. In Wirklichkeit fühlen wir uns auch alle ohne Reformen viel wohler. Seien wir ehrlich: An das Gewohnte haben wir uns gewöhnt und ist uns zumeist lieber als eine unbekannte Veränderung.




