
Die Meldungen in den Medien sind seit einigen Monaten diesbezüglich immer dieselben, nämlich, dass es den Gemeinden finanziell schlechter und schlechter geht. Woran liegt das, dass mittlerweile die Hälfte aller Gemeinden sogenannte „Abgangsgemeinden“ sind? Abgangsgemeinde bedeutet, dass die Fixeinnahmen die Fixausgaben nicht mehr decken. Dies liegt an steigenden Kosten für Energie, Personal (immer mehr Dienstleistungen, immer mehr Kinderbetreuung, ….), Gesundheit und soziale Aufgaben sowie an stagnierenden Einnahmen aufgrund schwacher Wirtschaft und Steuerreformen ohne Gegenfinanzierung, was gezwungenermaßen zu Einsparungen und der Verschiebung von Investitionen führt.
Von der verbliebenen Hälfte der Gemeinden, die noch die Ausgaben decken können, wird aller Voraussicht nach im nächsten Jahr ein großer Teil davon ebenfalls zu Ausgangsgemeinden werden. Wiener Neudorf wird da wohl noch nicht dazugehören, wobei die Betonung auf „noch nicht“ liegt.
Was ist da passiert?
Ich kann es nur aus der Sicht von Wiener Neudorf erzählen. Es gibt einen sogenannten „Finanzausgleich“. Das heißt, dass Gemeinden vom Bund sogenannte „Ertragsanteile“ erhalten und davon etwas an die Länder (für den Erhalt der Krankenhäuser, für Sozialhilfe, für die Wohlfahrt, für die Jugendförderung …..) als sogenannte Umlage abgeben müssen. Mit der Differenz kann eine Gemeinde notwendige Projekte verwirklichen. In den letzten 3 Jahren sind die Zuschüsse des Bundes für Wiener Neudorf nur um 8 % gestiegen, die Zahlungen an das Land NÖ aber um knapp 50 % (!!!!!). Wir reden dabei von Millionen. Das bedeutet, dass wir mittlerweile (Stand 2025) mehr an das Land zahlen müssen, als wir vom Bunde bekommen. Knappe 10,6 Millionen erhalten wir vom Bund, etwa 11,3 Millionen zahlen wir an das Land. Wir zahlen also nicht nur einen Teil des Bundeszuschusses an das Land, sondern alles und müssen noch einiges drauflegen. Uns wird damit die Luft, die wir bis vor kurzem noch hatten, einfach abgeschnitten. Mir ist schon klar, dass wir alle mithelfen müssen, die aus dem Ruder gelaufenen Bundes- und Landesbudgets zu sanieren, dass wir das Bundesheer nachrüsten müssen und dergleichen mehr. Aber so kann das nicht weitergehen.
Und: Wir haben in Wiener Neudorf glücklicherweise überdurchschnittliche Kommunalsteuereinnahmen, auch wenn diese derzeit stagnieren. Die Kommunalsteuer ist aber der Grund, warum das Land die Umlagen für die Gemeinde Wiener Neudorf so drastisch erhöht hat, weil andere Gemeinden einfach bereits am Ende sind und nicht mehr beitragen können. Wir bekommen, weil wir hohe Kommunalsteuern haben, jedoch keine Bedarfszuweisungen für Projekte, weil dieses Geld für die Gemeinden benötigt wird, die sich sonst nichts mehr leisten können.
Es wird in dieser Tonart weitergehen. Die wenigen Gemeinden, die sich noch ein wenig rühren können (zu denen wir glücklicherweise noch gehören) werden weiterhin deutlich zur Kassa gebeten werden, einfach weil es nicht anders geht, die Spitalsdichte, die Gesundheitsversorgung und unseren Wohlfahrtsstaat am Leben zu erhalten. Aber das wird so oder so nicht mehr lange so weitergehen können. Da bedarf es weitreichender Maßnahmen, auch wenn diese extrem unpopulär sind und immer mehr die Irrmeinung haben, wenn sie FPÖ wählen, dann würde das irgendetwas ändern.
Ja, wir haben in Wiener Neudorf, das vorhandene Geld gerne der Bevölkerung für diverse Vergünstigungen zur Verfügung gestellt. Wir haben unserer Bevölkerung Dinge ermöglicht, die sich andere Gemeinden nie und nimmer leisten konnten. Wir haben nur marginale Gebührenanpassungen vorgenommen, einfach weil wir es uns leisten konnten. Wir haben unsere Vereine derart unterstützt, worüber andere Gemeinden nur unverständlich den Kopf geschüttelt haben. Wir haben das getan, weil wir es uns leisten konnten. Betonung auf: „konnten“.
Diese Zeit ist nun leider vorbei. Ab 2026 werden wir einschneidende Maßnahmen setzen müssen, die alle spüren werden. Es wird auch in Wiener Neudorf die Normalität, wie in anderen Gemeinden längst üblich, Einzug halten.
Wir wurden seitens des Landes Niederösterreich (als Oberbehörde) genauso wie Hunderte andere Gemeinden aufgefordert, ein Konsolidierungskonzept bis Jahresende zu erstellen. Das hätten wir auch ohne diese Aufforderung getan. Aber es ist auch der Bund und das Land dringend gefordert, nicht alles auf die Gemeinden abzuwälzen. Ich habe ein dementsprechendes Schreiben an das Land NÖ gerichtet, weil es nicht angeht, dass uns Gemeinden die Luft zum Atmen genommen wird und man sich dann wundert, dass wir Schnappatmung haben.
Lieber Herbert,
Ich bin froh darüber, dass du die Misere der Gemeinden so genau und transparent beschreibst. Bürger und Bürgerinnen sollen verstehen, dass ein Bürgermeister, der die Gemeinde so umsichtig wie möglich verwaltet, nichts für die kommenden Verschlechterungen kann. Diese sind ihm von den übergeordneten Körperschaften (Bund und Land) aufgezwungen worden.
Die Hauptverantwortlichen für das finanzielle Desaster des Bundes sind wohl in der vergangenen Regierung unter Nehammer/Kogler zu finden. Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 war die finanzielle Hilfe des Staates sicherlich sinnvoll, da mit den getroffenen Entscheidungen eine Arbeitsmarktkrise abgewendet werden konnte. Doch Kanzler Nehammer und Finanzminister Brunner haben auch 2023 noch das Geld mit vollen Händen in die Wirtschaft geworfen und mir scheint, dass Missbrauch relativ leicht gefallen ist! Vizekanzler Kogler, der auch für die Beamtenschaft zuständig war, hat noch für 2024 einen sehr hohen Lohnabschluss verabschiedet, was rückblickend gesehen wohl eine „Politik der verbrannten Erde“ war!
Leider haben auch viele Wirtschaftskapitäne – wenn auch bei weitem nicht alle – in dieser Zeit ein schlechtes Bild abgegeben. Die Finanzspritzen wurden oft dazu genutzt, um Boni an Geschäftsführungen, Vorstände und Aufsichtsräte auszuschütten – wenn es ging, hat man die Aktionäre schon umgangen; Firmeneigner sahen die Gelegenheit für hohe Privatentnahmen. Bei weitem nicht alle Unternehmen haben die Gelder vorausschauend in die Weiterentwicklung des Betriebes gesteckt. Nun fällt das Österreich auf den Kopf – und die kleinen Leute müssen für die Verfehlungen der Politik zahlen!
Natürlich haben an der Finanzmisere auch manche Vertreter der kommunalen Ebene ihren Anteil. Wird jemand nach einer Gemeinderatswahl zum neuen Bürgermeister oder zur Bürgermeisterin gekürt, so kann er natürlich eine Ausbildung fürs Finanzwesen machen – aber verpflichtet ist er/sie dazu nicht. Die Parteien, denen sie gewöhnlich angehören, bieten Wirtschaftsseminare zur Fortbildung angehender Bürgermeister an. Ich hoffe, dass dort wirklich mehr Fachwissen denn Ideologie vermittelt wird … Vielleicht würde manche Fehlentwicklung verhindert, wenn Bürgermeister gesetzlich verpflichtet sind, eine solche Ausbilung zu machen – es sei denn, sie bringen eine entsprechende Schulausbildung mit (Fach-BHS oder Studium). Und selbst dann gibt es für einen angehenden Ortschef noch einiges Neues zu lernen!
Ein spektakuläres Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll, ist die Marktgemeinde Matrei im schönen Osttirol. 1989 trat der heutige Altbürgermeister Andreas Köll sein Amt an. Er war ein guter Netzwerker, wurde Co-Geschäftsführer bei den Matreier Bergbahnen und Obmann des Tiroler Arbeiter- und Angestelltenbundes. Er half bei der Inthronisierung des Ex-Landeshauptmannes Günther Platter kräftig mit – dafür wurde seine Gemeinde bei Finanzprüfungen „wohlwollend“ beurteilt. Köll, der nun die 4.600-Einwohner-Gemeinde regierte, war auf kostspielige Projekte da und dort versessen, Geld schien keine Rolle zu spielen. Ein Stadion um sieben Millionen Euro wurde errichtet, es gab überdimensionierte Kanalprojekte, am Ende stand noch der Bau eines Freibades, das Köll in eine Gesellschaft überführte, die ihm persönlich gehörte. Als eine Sanierung nötig wurde, kaufte die Gemeinde das Grundstück teuer zurück, heute steht ein unfertiger Rohbau dort. 2022 kandidierte Köll nicht mehr, seine Partei, die ÖVP-nahe Liste „Gemeinsam für Matrei“ wurde abgewählt, Oswald Steiner der bisher oppositionellen „Matreier Liste“ übernahm. Der Finanzverwalter servierte ihm die horrenden Zahlen: die Gemeinde hatte 38 Millionen Euro Schulden angehäuft, mit Hilfe des Landes Tirol und einem eisernen Sparkurs konnte die Gefahr eines Gemeindekonkurses gerade noch abgewendet werden.
Oder die „Wien-Energie“: der damals verantwortliche Energiestadtrat war der heutige Verkehrsminister Peter Hanke. Im Herbst 2021 hatte das Direktorium der Wien-Energie beschlossen, drei Jahrestranchen Strom auf Termin zu verkaufen. Das ist eine Art „Baisse-Spekulation“: man verkauft den Strom und kauft die Jahrestranchen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück und hofft, dass der Preis bis dahin fällt. Der Strompreis war auf einem steigenden Niveau, bei Wien-Energie spekulierte man darauf, dass er im nächsten Jahr wieder fallen werde. Doch diese Rechnung ging nicht auf, weil Russland Ende Februar 2022 die Ukraine angriff, was den Strompreis in bisher nicht gekannte Höhen trieb. Schon im März zeichnete sich ab, dass Putins Plan, die Ukraine mit einem Handstreich auf die Hauptstadt zu überrumpeln, nicht aufging. Hätte man damals gleich reagiert, wäre der Verlust mit rund 700 Millionen Euro nicht erfreulich gewesen, aber das Ärgste wäre verhindert worden. Aber Hanke und Wien-Energie taten nichts, warteten ewig – und bis August war der Verlust bereits aufs Vierfache gestiegen (2,8 Mrd. Euro!) Man musste zum Finanzminister Brunner pilgern – es wurde für die Wiener Delegation kein schöner Tag, der sonst als „freundlicher Gentleman“ bekannte Minister soll sie mit nicht druckreifen Ausdrücken bedacht haben … – Die Wiener zahlten die Zeche dafür: bald darauf kam es zu drastischen Preiserhöhungen für Fernwärme, die Mieten bei Wiener Wohnen wurden stark angehoben.
Ein weiteres Beispiel ist die Stadt Graz, die von KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr regiert wird – und der von der Bevölkerung durchaus Sympathie entgegengebracht wird. Es ist auch klar, warum: sie nimmt sich den Bedürftigen wirklich mit Engagement an, es gibt großzügige Investitionen in soziale Projekte. Leider ist das Thema Geld dabei aus dem Fokus geraten, was die negative Seite des Ganzen darstellt. Es scheint, es wird mehr ausgegeben, als man sich leisten kann. Die Bilanz: Ende 2024 betrug der Schuldenstand von Graz 1,744 Mrd. Euro, bis Ende 2025 werden die Schulden zwei Mrd. Euro übersteigen. Rein betragsmäßig ist Graz bei den Schulden gar nicht mehr so weit von Wien entfernt; doch Wien hat um ein Mehrfaches mehr Einwohner als Graz! Die Stadtgemeinde Graz hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung Österreichs!
Es sind also nicht nur die Finanzzwänge des Bundes, die den Gemeinden Verschlechterungen bringen – es gibt viele Fälle, in denen die Gemeinden selbst zur jetzigen Finanzmisere beigetragen haben!!
Lieber Herbert,
ich hätte folgende Idee: nutze deinen Bürgermeisterblog als Ideenbörse dafür, wie die Gemeinde zu mehr Geld oder zu einem Aufschwung kommen kann!
Der Blogbeitrag, in den die Leute ihre Ideen posten können, soll über einen längeren Zeitpunkt ständig an die erste Stelle gereiht werden – und nicht nach neuen Blogbeiträgen, die du hineinstellst, nach hinten rutschen! Das wäre für diese Agenda ganz wichtig!
Ich bin mir sicher, es gibt in Wr. Neudorf Einwohner, die dazu gute Ideen einbringen können, die dann umgesetzt werden können!
Schöne Grüße
S. K.