Natürlich sollte Menschlichkeit keine Grenzen kennen. Natürlich sollte Hilfsbereitschaft kein Limit haben. Aber es gibt einen Unterschied zwischen emotionalen Begriffen und der Wirklichkeit. Es gibt eben einen Unterschied zwischen theoretischer Philosophie und angewandter Politik.
Es ist natürlich schwierig einen Vergleich zu machen und hilfsbedürftige Menschen mit etwas anderem zu vergleichen, aber ich werde es trotzdem tun. Wiener Neudorf erstickt bekanntlich im Verkehr. Auf A2, B17, B11 und alle Gemeindestraßen zusammengerechnet fahren mehr als 220.000 Autos direkt an Wiener Neudorf vorbei oder durch. Natürlich wäre es möglich, diese Zahl theoretisch und praktisch noch zu verdoppeln. Wir könnten den Verkehr zusätzlich durch alle Seitengassen schicken und selbst auf B17, B11 und A2 wäre bei einigem Bemühen noch einiges möglich. Nur: Wollen wir das? Ist das gut? Ist das gescheit? Jeder wird sagen: Nein!
Natürlich können wir in Österreich, in Niederösterreich, in Wiener Neudorf noch viele, sehr viele Flüchtlinge aufnehmen – und genauso wie beim Verkehr könnten wir diese Zahl leicht verdoppeln. Jede(r) von uns könnte auch in seiner Wohnung, in seinem Haus bei gutem Willen 1, 2, 3 Flüchtling(e) beherbergen. Einige machen das auch – auch in Wiener Neudorf. Nur: ?
In Wiener Neudorf bleiben wir bei diesem Thema insgesamt bei unserer Linie und unserer Richtung. Wir unterstützen als Gemeinde kleine Einheiten, wenn dafür eine Betreuung gewährleistet ist. Dafür stellen wir Geldmittel zur Verfügung und gerne auch Räumlichkeiten (Feuerwehr, Mobiki, Alte Volksschule, Pfadfinderheim). Das klappt dankt der Unterstützung des SOS-Kinderdorfes, der Pfadfinder, der Pfarrgemeinde und der Feuerwehr hervorragend. Mit dieser Politik gelingt es uns auch, die Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens zu begleiten und bestmöglich zu integrieren. Das gelingt auch dank dem freiwilligen Engagement vieler – etwa im Bereich von Deutschkursen.
Derzeit beherbergen wir in Wiener Neudorf knapp 50 Asylwerber. Für mehr sehe ich zur Zeit wenig Möglichkeiten.
In diesem Sinne glaube ich, dass die österreichische Bundesregierung jetzt auf einem richtigen Weg ist. Obergrenzen oder Reduktionen von Flüchtlingszahlen scheinen natürlich auf den ersten Blick unchristlich, unsozial und menschenverachtend zu sein. Aber nur auf den ersten Blick. Die Politik hat auch die Aufgabe einen Blick auf die Realität und das Machbare zu haben. Die Willkommenskultur in Österreich – und auch in Deutschland – ist längst einem anderen Gefühl gewichen. Es ist auch niemals eine gute Politik, die verständlichen Ängste und die verständlichen Sorgen der eigenen Bevölkerung wegdiskutieren oder abtun zu wollen. Das stärkt nur extreme Meinungen, die sich schnell – wie wir aus Erfahrung wissen – verbreiten und mehrheitsfähig werden können.
Ich werde keine Politik machen oder verteidigen, die nur darauf ausgerichtet ist, stimmenmaximierend zu sein. Ich will eine Politik, die nachhaltig ist, die realitätsnah, die verständlich und nachvollziehbar und die gut und richtig ist. Es ist gut und richtig, als Österreichische Bundesregierung, sich selbst und auch der EU gegenüber einzugestehen, dass wir mit dem Thema der Flüchtlingshilfe langsam überfordert und an Grenzen angelangt sind.
Und nachdem die EU bisher keine gemeinsame Lösung zustande gebracht hat und sich auf die grenzenlose Hilfsbereitschaft von Deutschland, Österreich und Schweden verlassen hat ist es auch unser gutes Recht, sich nicht mehr auf den Glauben an eine EU-Lösung zu verlassen.
Einer freut sich – ganz Sankt Pölten atmet auf.