Der Glykol-Skandal der Österrischischen Bundespolitik

Nicht nur das Nachrichtenmagazin profil hat 1985 den damaligen Österreich-Skandal aufgearbeitet, sondern de facto alle namhaften Zeitungen in Europa. Heute ist es ähnlich – allerdings mit einem anderen Thema.

Vor 36 Jahren erschütterte ein Skandal eine wichtige Branche, die letztlich zu einer Bereinigung und zur Qualitätssteigerung führte. 1985 ist öffentlich geworden, dass durch das Eintrocknen von Süßwein-Beeren – wodurch die Erträge sanken und die Preise stiegen – ein ordentliches Geschäft gemacht wurde. Die Nachfrage stieg und „findige“ Winzer setzten den zu wenig süßen Weinen günstiges Diethylenglykol bei und konnten dadurch die Nachfrage nach vermeintlichen hochpreisigen Qualitätsweinen bei extrem hohen Gewinnspannen befriedigen.

Es war der Dummheit und Gier eines Winzers zu verdanken – der enorm hohe Mengen von diesen Frostschutzmitteln darüber hinaus steuerlich geltend machen wollte, obwohl er nur ein kleines dafür geeignetes Arbeitsgerät besaß -, dass dieser Weinpantscher-Skandal aufgedeckt werden konnte. Meine Generation wird sich noch an das Ergebnis erinnern: Die Weinverfälschungen waren monatelang Themen in allen europäischen Medien, der heimische Weinhandel brach ein, Millionen von österreichischen Weinprodukten mussten aus den Regalen geräumt werden. Auch viele kleine, völlig unbeteiligte Winzer gerieten in eine wirtschaftliche Schieflage. Die Folge war eines der strengsten Weingesetze der Welt mit den schärfsten Kontrollen und einer neuen Winzergeneration, die unseren Wein in mühevoller Arbeit wieder an die Weltspitze brachte.

Mich erinnert die jetzige politische Lage in Österreich an diesen Skandal. Ich darf nicht schreiben, dass es die Dummheit (um nicht ehrenrührig zu wirken) sondern die Unvorsichtigkeit eines einzelnen war, dass 300.000 Chat-Nachrichten nicht im iCloud-Nirvana verschwanden, sondern dadurch ein politisches System offenbar wurde, das eine ganze Branche erschüttert.

Mich erschüttert allerdings noch mehr, dass die Branche völlig falsch reagiert und sichtlich wenig begriffen hat. Die einen sind in der Verteidigungshaltung und wollen beweisen, dass das alles seit Jahrzehnten normal wäre, es sowieso alle täten, und dass der eigentliche Skandal eigentlich der ist, dass dies alles in die Öffentlichkeit gelangt ist. Als würde dies das eigene Verhalten rechtfertigen. Die anderen glauben mit eigenartigen Methoden drauflos hinhauen zu müssen, ohne zu merken, dass sie sich dabei selbst verletzen. Am Ende werden beide Seiten am Boden liegen und sich gemeinsam darüber wundern.

Die Politik-Branche sollte sich an der damaligen Herangehensweise der Wein-Branche ein Beispiel nehmen. Dass das sogenannte „System-Kurz“ gescheitert ist, ist ja mittlerweile allen klar geworden und auch, dass Sebastian Kurz kein drittes Mal mehr Bundeskanzler werden kann und werden wird – völlig egal, ob das Ganze jetzt strafrechtlich relevant ist oder nicht. Für mich ist verständlich, dass der junge Mann sich und die Situation jetzt einmal ordnen muss – hoffentlich mit anderen Beratern und Freunden als jenen die ihn bislang umgaben. Und dass es bei dem unbestritten talentierten Herrn Kurz in seiner Amtszeit auch zahlreiche positive Aspekte, Auftritte und Herangehensweisen gab, wird wohl hoffentlich auch niemand in Abrede stellen. Die Flucht in das Amt des Klubobmannes ist für mich eher ein Schachzug um Zeit zu gewinnen, als eine endgültige Lösung. Er hat sich – aus meiner Sicht – diese Zeit des Nachdenkens und der Selbstfindung auch verdient. Und dass die Bundes-ÖVP und unser neuer Bundeskanzler jetzt auch einmal damit beschäftigt sind, über vieles nachzudenken und vieles neu zu ordnen, ist für mich nachvollziehbar und logisch. Genauso wie das nach außen getragene Verhalten der Verteidigung eines bislang nicht unerfolgreichen Systems und Teams.

Ich hoffe, dass durch das Auffliegen dieser Vorgänge, dass durch diesen Schrecken und dessen offenkundige Starre einiges neu diskutiert und geregelt wird und sich die gesamte Branche überdenkt und vieles in Frage stellt, was bislang gemacht wurde und offenbar gelebte Routine geworden ist.

Ich denke, Österreich braucht nicht den nächsten Skandal-Untersuchungsausschuss, bei dem vielleicht noch das eine oder andere offenkundig ist, worüber wir uns sowieso nicht mehr sonderlich wundern. Und der dann vielleicht noch mehr Menschen dazu bringt, sich von der Politik abzuwenden.

Ich wünsche mir von der Bundespolitik, dass die jetzige Situation genützt wird, um neue Wege zu ermöglichen, um neue Zusammenarbeiten für das Land zu kreieren. Es ist so lächerlich mitzubekommen, dass – kaum beginnt jemand von einer Partei zu sprechen – die anderen schon dagegen sind, ohne wirklich zuzuhören und das Ende der Rede überhaupt abzuwarten. Dieser Reflex, andere Meinungen von vorne herein herabzuwürdigen, für sowieso verfehlt, dumm und undurchführbar zu erklären, ist weder witzig noch sonderlich intelligent. Irgendwie bin ich froh, in der Kommunalpolitik tätig sein zu dürfen.

Die Bundespolitik ist irgendwie an einem Tiefpunkt angekommen, wie weiland die Wein-Branche. Die Wein-Branche hat es geschafft wie Phönix aus der Asche zu vorher ungeahnten Höhen zu wachsen. Dieselbe Chance haben jetzt alle Bundesparteien in ihrer Gesamtheit. Mir ist schon klar, dass die Erfolgsaussichten, dass diese Chance erkannt und nicht vertan wird, eher gering ist. Aber – frei übersetzt nach Cicero – glauben wir seit Jahrhunderten daran, dass die Hoffnung zuletzt stirbt und solange lebt, solange wir atmen.

3 Gedanken zu „Der Glykol-Skandal der Österrischischen Bundespolitik

  1. Wiener Neudorfer

    Lieber Herr Bürgermeister, lieber Herr Janschka!

    Ihren sachlichen und vernünftigen Aussagen kann ich nur vollinhaltlich zustimmen!

    Über das, was Herr Kurz „verdient“ hätte, soll sich jeder mündige Bürger eine eigene Meinung bilden (und die besser nicht öffentlich ausbreiten).

    Es gibt zwei wichtige Gesichtspunkte:

    1) Die strafrechtlich relevante Seite
    Hier gilt, wie immer, die „Unschuldsvermutung“. Eine faire und NICHT politisch unterwanderte Justiz hat so etwas zu klären.

    2) Die politisch-moralische Art des Verhaltens
    Und die haben SEHR WOHL Untersuchungsausschüsse und der Bürger zu beurteilen.
    Ob hier auch eine „Unschuldsvermutung“ immer geltend gemacht werden kann, wage ich zu bezweifeln, wenn mieses und unmoralisches Verhalten ganz offensichtlich erkennbar und dokumentiert ist.
    Solche Menschen haben in der Poitik NICHTS verloren!

    Jetzt ist halt gerade die ÖVP im Focus, wenn diese, wie Sie selber treffend formulieren, sich nicht neu aufstellt und von diesen Machenschaften glaubwürdig (!!!) verabschiedet, wird sie eine Zeitlang (hoffentlich) in die Bedeutungslosigkeit abgedriftet werden.

    Das gilt natürlich für ALLE Gruppierungen!

    Ein Großteil der Politik ist, vorallem je höher-regional (Bund – Länder – Kommunal) völlig „entartet“!
    Abgehoben, dumm, unfähig, machtgeil, mit sektenhaften Misionarswahn behaftet und immer dreister werdend.

    Das muß aufhören.

    Ich denke, da wird mir ein Jeder zustimmen.

    Österreich zeigt derzeit (gottseidank!), dass es noch weit demokratischer aufgestellt ist, als etwa Deutschland, das derzeit (nur meine persönliche Einschätzung) komplett den Bach runter geht.

    Wie schon oft erwähnt, ist Wiener Neudorf mein großer Trost, hier kann man jeden Tag verfolgen, wie es besser wird.

    Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln………

    Alles Gute!

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