Die Welt der Videokonferenzen

Tägliche Videokonferenzen ersetzen derzeit den persönlichen Kontakt

Natürlich ist es auch angenehm, nicht irgendwo hinfahren zu müssen, um jemand zu treffen, sondern zu Hause im Büro (Homeoffice) sitzen zu können. Aber diesbezüglich geht es mir natürlich besser als vielen anderen. Die Kinder sind seit vielen Jahren „draußen“, eines der früheren Kinderzimmer längst zu einem Büro umgestaltet. Die Enkelkinder kommen meist nur an Wochenenden und „Homekindergarting“ gibt es sowieso noch nicht.

Andererseits ist die digitale Welt nicht ganz meine. Menschen, mit denen ich mich unterhalte, sollten gefälligst mit mir in einem Raum sitzen – und da meine ich nicht den virtuellen. Ist es mein fortgeschrittenes Alter? Ist es jahrzehntelange Gewohnheit? Keine Ahnung. Ich weiß nur, irgendwie gehen mir die Videokonferenzen, bei allen Vorteilen, langsam irgendwohin. Mir ist schon klar, auch für die Unwelt hat es einen positiven Aspekt. Heute um 16.00 Uhr gibt es eine landesweite Bürgermeister-Videokonferenz. Normalerweise müssten sich über 500 Bürgermeister/-innen zwischen 14.00 und 15.00 Uhr ins Auto setzen und nach St. Pölten – oder an einen anderen ausgesuchten Ort – fahren. Ich hätte dabei nicht einmal ein sonderlich schlechtes Gewissen. Ich fahre elektrisch. Es hat auch einen zeitlichen Vorteil. Statt zwei Stunden hin- und herzufahren schalte ich nur den Bildschirm ein. Oben: Hemd und Sakko. Unten: Jogginghose – wenn überhaupt. Und eine Videokonferenz dauert weit kürzer als eine Präsenzveranstaltung. Und statt des normalerweise anschließenden Buffets geht man halt zum Eiskasten.

Diskussionen und längere Gespräche kommen bei Videokonferenzen sowieso kaum auf. Es läuft alles ein wenig „straight“ ab. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sowieso alle froh sind, wenn so eine Videokonferenz schnell vorbei ist.

Ich habe immer ein wenig über knapp 60 Weihnachtsfeiern während drei Dezemberwochen geraunzt. Zugegeben: Es war schon eine Herausforderung. Aber der Rückfall auf 0 Weihnachtsfeiern ist schon ein wenig dramatisch. Heute weiß ich: 60 Weihnachtsfeiern sind mir lieber als 0. Der Vergleich macht mich sicher und so freue ich mich im Februar schon auf Dezember 2021 – falls das Corona-Virus bis dahin nicht noch weiter irgendwohin mutiert.

Manchmal hat mich mein übervoller Terminkalender mit den zig-Terminen wöchentlich und den Hunderten Personen, die ich zu treffen hatte, schon ein wenig überfordert. Aber den Kontaktstillstand der letzten Monate brauche ich noch weniger. Ich bin ja nicht Politiker geworden, weil ich das Leben eines Einsiedlers bevorzuge.

Ich will Menschen begegnen. Ich will Menschen die Hand schütteln. Ich will mit meinen Freunden zum Heurigen gehen. Ich will das Haus verlassen, ohne ständig wieder umkehren zu müssen, weil ich die FFP2-Maske vergessen habe. Ich will mich mit jemand unterhalten, ohne mit einem schlechten Gewissen zusammenzuzucken und zwei Meter auszuweichen und mir kurz zu überlegen: Darf ich das jetzt eigentlich?

Viele haben eine Wut auf die Regierung und gehen gegen sie demonstrieren. Ich habe eine Wut auf das Corona-Virus, aber das würde sich nur freuen, wenn ich mit Tausenden anderen demonstrieren gehe – ohne Maske und ohne Abstand. (PS: Jetzt hätte ich mich fast vertippt und „Anstand“ geschrieben).

3 Gedanken zu „Die Welt der Videokonferenzen

  1. Inge

    Auch mir total aus der Seele gesprochen (außer dass ich keine 60 Weihnachtsfeiern habe haha) DANKE!!!!!

  2. Erika

    Danke, voll aus unserer Seele geschrieben nur geht es bei uns um eine gewiße Einsamkeit besonders wenn man gerne mit Menschen zusammen ist und gewohnt ist gute und auch fröhliche Gepräche mit den Mitmenschen zu führen und wer es nicht glaubt – abwarten und 85 werden.Aber keine Sorge wir schaffen das schon

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