Der türkische Außenminister meint ich wäre ein radikaler Rassist. Erschrocken frage ich mich: Hat er recht?

 

Sorry, aber dieser Blogbeitrag beschäftigt sich weniger mit Wiener Neudorf als mit mir. Ich schreibe diesen Beitrag eigentlich ausschließlich für mich, weil ich mir über mich klar werden muss. Aber wenn Sie weiterlesen und sich damit auch mit mir als Person beschäftigen, dann freut mich das.

Der türkische Außenminister meint also, dass Österreich die Hauptstadt des radikalen Rassismus wäre, begründet durch die Aussagen von Bundeskanzler Kern und Außenminister Kurz betreffend den EU-Beitritt der Türkei. Wenn ich jedoch diesen Aussagen vieles abgewinnen kann, dann bin ich in der logischen Folge wohl auch in der Auffassung des türkischen Außenministers ein radikaler Rassist. Weil ich mich für einen humanistischen und christlichen Menschen halte, möchte ich der Meinung des türkischen Außenministers auf den Grund gehen. Denn, hätte er recht, würde dies mein Eigenbild das ich von mir habe, doch gewaltig erschüttern.

Die Meinung dieses Herrn ist mir zwar eigentlich herzlich egal, aber trotzdem brauche ich und brauchen sich sehr sehr viele Österreicher nicht von einem Mitglied eines sehr eigenartig agierenden Regimes beleidigen zu lassen. Oder doch? Hat er vielleicht sogar recht?

So und jetzt stülpe ich meine Seele nach außen und gehe mir komplett auf den Grund.

Ich habe es für wohltuend empfunden, dass endlich einmal versucht wird, nicht in jedem Satz Diplomatie, sondern Wahrheit wirken zu lassen. (Fast) jedem ist mittlerweile klar geworden, dass es ganz sicher zu keinem EU-Beitritt der Türkei kommen wird, aber sagen darf man das offenbar nicht. Da verhandelt man lieber viertelherzig weiter, am ehesten möchte man noch von einem Aussetzen der Verhandlungen sprechen, aber nicht von einem Abbruch – denn das klingt irgendwie diplomatischer. Denn man möchte einen zweifelhaften Flüchtlingsdeal offensichtlich nicht gefährden. Und dafür ist die Diplomatie wichtiger als die Wahrheit – glauben einige.

Ich persönlich plädiere dafür, die Türkei endlich als Partner ernst zu nehmen. Und einem Partner, den ich ernst nehme, mute ich auch die Wahrheit zu. Und die Wahrheit ist, dass es in absehbarer Zeit ganz sicher zu keinem EU-Beitritt kommen wird – also sollte man, und da gebe ich Herrn Kern recht, andere Wege einer Zusammenarbeit suchen, wenn man Zusammenarbeit – in welchen Kategorien auch immer – suchen möchte. Ich für meinen Teil möchte das. Was daran radikal rassistisch sein sollte, frage ich mich. Verhandlungen zum bewussten Zwecke der Augenauswischerei zu führen halte ich für unsinnig und letztlich provokativ. Aber vielleicht sieht das der türkische Herr Außenminister anders.

Und es muss für mich das hinter der österreichischen Gutmütigkeit versteckte liberale Verhalten endlich eine Grenze haben. Bei uns müssen Kreuze in öffentlichen Räumen hängen dürfen, längst nicht mehr als reines religiöses Symbol, sondern als akzeptiertes Kulturgut. Bei uns muss es Oster- und Weihnachtsfeste geben dürfen, die bei uns auch nichtreligiöse Menschen feiern. Bei uns gibt es einfach einen Nikolaus, auf den sich Kinder und Erwachsene freuen, auch wenn sie mit Religion nichts am Hut haben. Und wenn ich mir Österreich als Gastland oder neues Heimatland aussuche, dann habe ich das zu akzeptieren. Und nicht nur die paar aufgezählten Beispiele, sondern vieles andere auch. Jetzt kenne ich mich mit mir überhaupt nicht mehr aus. Ist das jetzt radikal rassistisch oder nicht?

Und wenn ich als Türke oder Türkischstämmiger demonstrieren möchte, dann habe ich diese Veranstaltung wie jeder andere auch, anzumelden und auf eine Genehmigung zu warten. Das ist bei uns Gesetz – ob einem das passt oder nicht. Bei uns ist Religion eine Privatsache und kein Satz in einem religiösen Werk steht über dem Gesetz oder ist irdisches Gesetz. Dafür haben vor einigen Hundert Jahren in Europa Generationen gekämpft. Ich kann schon nachvollziehen, dass manche, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, damit nicht leben können – aber wenn sie in Österreich leben wollen, dann werden sie das müssen. Wir haben hier in Österreich und Mitteleuropa unsere traditionellen Werte und Grundwerte. Es kann jeder damit Probleme haben, aber leider niemand, der sich diese Gegend als Gast- oder Heimatland aussucht. Wenn diese Einstellung radikaler Rassismus ist, dann hat der türkische Herr Außenminister recht, dann bin ich ein radikaler Rassist.

Bei uns gäbe es keine Meinungsfreiheit, wurde uns Österreichern ausgerichtet, als die unangemeldete Demonstration und die Verwüstung eines türkischen Lokals kritisiert wurde. Was wäre eigentlich, wenn ich jetzt, nur angenommen, in Ankara sitzen würde und diesen Blogbeitrag geschrieben und freigegeben hätte? Wenn ich jetzt denken würde, ich könnte in der Türkei dafür vielleicht sogar verhaftet werden, dann wäre das doch ganz sicher radikal rassistisch – also denke ich das lieber nicht. Denn ich bin ja kein radikaler Rassist – oder schon?

Da soll sich einer mit sich selber noch auskennen. Am besten ich frage den türkischen Außenminister.

 

6 Gedanken zu „Der türkische Außenminister meint ich wäre ein radikaler Rassist. Erschrocken frage ich mich: Hat er recht?

  1. Wiener Neudorfer

    Lieber Herr Janschka!

    Da begeben Sie sich aber mutig auf gefährliches Terrain! Die Gedanken- und Gesinnungspolizei wetzt sicher schon die Messer.

    Ras·sịs·mus
    Substantiv [der]

    die Ansicht, dass Menschen einer bestimmten Rasse weniger wert sind als andere, und dass ihre politische und soziale Unterdrückung deshalb gerechtfertigt ist.

    Diese Definition sollte jedem bekannt sein.

    Was heute unter dem Deckmantel dieses Begriffes allerortens als Rassismus oder als Rassist bezeichnet wird, ist ein von Politik, Mainstream Medien und diversen Gruppierungen geschaffener Modebegriff, der nur dazu dient, Meinungen zu stigmatisieren und zu unterdrücken, sowie Interessen mannigfaltiger Art durchzusetzen.

    Wenn ich heute sagen würde, mir ist schon zuviel, dass von 5 in Österreich lebenden Menschen einer nicht in Österreich geboren wurde, dann bin ich deshalb noch lange kein Rassist. Würde aber als solcher diffamiert werden.

    Wenn ich sagen würde, ich möchte in Wien nicht von kulturell inkompatiblen Nachbarn umgeben sein, denn sonst würde ich ja im Ausland leben, bin ich deshalb kein Rassist.
    Wenn ich sogar sagen würde, Ausländer sehe ich lieber im Ausland, als im Inland, bin ich deswegen kein Rassist. Das ist eben eine Meinung.

    Also ich kann Ihnen versichern, mit Ihrer Meinung zur Türkei sind Sie kein Rassist. Es sei denn, Sie meinen, dass die Türken eine minderwertige Rasse sind, aber wir sind ja kein Jan Böhmermann, oder?

    Ich hoffe, damit ein wenig zur Sinnfindung beigetragen zu haben 🙂

  2. aus Wr. Neudorf

    Sobald man heutzutage undiplomatisch (s)eine Meinung äußert, ist man – zumeist mangels fehlender Gegen-Sachargumentation ein Rassist, ein Nazi oder Beides. Warum? Weil sich zweiteres seit Jahrzehnten und ersteres seit Jahren bewährt, um offene, ehrlich gemeinte Worte ganz im Sinne einer in sich nicht existierenden politischen Korrektheit brutal und persönlich angreifend zu unterdrücken. Dies funktioniert leider schon viel zu lange.
    Solange man offene Meinungen gegen XY nicht zulässt, solange man sich auf rhetorische Diffamierungen von XY konzentriert, solange wird XY genau so weiter vorgehen und an Einfluss gewinnen. XY ist in diesem Fall die Türkei, aber grundsätzlich auch durch andere Organisationen etc. zu ersetzen.

    PS: Als radikalen Rassisten kann ich mir KEINEN EINZIGEN Wiener Neudorfer Politiker vorstellen!

  3. Hannelore Schmid

    Lieber Herr Janschka!

    Gefällt mir sehr gut, Ihr Blog. Den türkischen Außenminister brauchen´s nicht fragen, weil der darf nur sagen, was ihm Herr Erdogan anschafft. Sagt er was anderes, ist er ganz schnell nicht mehr türkischer Außenminister. Soviel zur Meinungsfreiheit in der Türkei. Was die unangemeldete Demonstration in Wien betrifft, wundert´s mich schon, dass da viele türkischstämmige Menschen, die in 2. oder 3. Generation in Österreich leben und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen lauthals schreien, dass sie Türken sind. Die würden schön schauen, wenn sie in dieses Land zurück siedelten. Da wär´s dann mit vielen Annehmlichkeiten vorbei, die in Österreich gern in Anspruch genommen werden. Da es aber anscheinend viele gibt, die eine illegale Doppelstaatsbürgerschaft besitzen, könnten Sie das leicht ausprobieren. Und obwohl ich gerade den Satz von Ihnen, dass das hinter der österreichischen Gutmütigkeit versteckte liberale Verhalten endlich eine Grenze haben muss, voll unterstreiche, gebe ich „Wiener Neudorfer“ recht – weder Sie sind ein Rassist noch fühle ich mich als Rassistin.

    1. Wiener Neudorfer

      Liebe Frau Schmid,

      ich glaube, wir müssen uns ALLE nicht als Rassisten fühlen, nur weil wir vielleicht eine nicht in allen Belangen politisch korrekte Mainstream Meinung haben.

      Ein schönes Wochenende!

  4. Jiohann Kulmer

    Sehr geehrter Herr Janschka,
    sie haben mir aus der Seele geschrieben,ich kann das nur voll und ganz unterschreiben,da gibt es nichts mehr hinzuzufügen!
    Liebe Grüße
    Johann Kulmer

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