Über die Richtigkeit des politischen Kompromisses

 

In den letzten Wochen bis hin zur gestrigen Flüchtlingshilfe-Veranstaltung im Freizeitzentrum wurde ich immer wieder darauf angesprochen. „Warum geht da nicht rascher etwas weiter?“ „Warum entscheidest Du nicht rascher – so wie bei anderen Themen auch?“ „Ich kenne Dich lange genug – die Haltung, die Du vertrittst, ist nicht ganz Deine!“ ………

Ich habe einmal vor vielen Jahren, als ich noch nicht in der Politik tätig war, den Satz in einem Buch veröffentlichen dürfen: Ein Kompromiss reimt sich auf wenig und vor allem nicht auf das Richtige.

Als ich dann etwas später in der Politik tätig war, kam ich bald darauf, dass es einen Unterschied zwischen journalistischen oder literarischen Wunschformulierungen und der politischen Realität gibt. Natürlich ist ein Kompromiss zumeist nur etwas, mit dem diejenigen gut leben können, die ihn verhandelt haben, die auf einander zugegangen sind, die auf Teile ihrer ursprünglichen Forderung verzichtet haben. Nicht-Teilnehmer an dieser Kompromiss-Arbeit, die nach wie vor auf der einen oder anderen ursprünglichen Position verharren, können zumeist wenig mit dem Kompromiss anfangen. Den einen geht der Kompromiss zu weit, den anderen zu wenig weit.

Es gibt einen legendären Sager: Die Wahrheit liegt meistens dazwischen. Liegt sie meistens – aus meiner Erfahrung – aber nicht. Was ist das Ergebnis von 1 und 1? Der eine sagt: 2. Der andere sagt: 3. Beide haben viele Anhänger ihrer Antworten. Der Kompromiss ist 2,5. Beide geben sich die Hände und stimmen schweren Herzens zu. Ein Kompromiss ist gefunden – die Wahrheit nicht. Die Anhänger beider sind unzufrieden, weil sie alle der Meinung sind: das ist falsch und ein fauler Kompromiss. Die einzigen halbwegs Zufriedenen sind die beiden, die den Kompromiss gefunden haben und aufeinander zugegangen sind.

Ich denke, irgendwie so einfach ist es zu verstehen, dass heute so viele mit der Politik unzufrieden sind. Eine politische Partei hat Standpunkte und Anhänger für diese Standpunkte. Eine andere Partei hat andere Standpunkte und genauso viele Anhänger dafür. Beide haben nicht die Mehrheit bei einer Abstimmung. Also heißt es aufeinander zugehen. Und irgendwo zwischen den beiden Standpunkten trifft man sich, stimmt ab und beschließt. Die Anhänger beider Parteien sind unzufrieden und fühlen sich irgendwie verraten. Die Kompromiss-Verhandler können gerade noch mit diesem Kompromiss leben, sind zufrieden und verstehen die Unzufriedenheit ihrer Anhänger nicht. Das ist der Nachteil von Regierungsparteien, wenn sie in einer Koalition einen gemeinsamen Weg finden müssen/wollen.

Am leichtesten tut sich die dritte Partei, die sich an der Kompromiss-Arbeit nicht beteiligt, auf ihrem Standpunkt beharrt und sich bei einem Beschluss vom Kompromiss der beiden anderen niederstimmen lässt. Ihre Anhänger sind zufrieden. Sie haben zwar ihre Position nicht durchgebracht, aber ihren Standpunkt beibehalten. Das ist der Vorteil einer Oppositionspartei.

Zum ersten Absatz zurück: Ja, ich würde rascher entscheiden, wenn ich das alleinige Sagen hätte. Genauso wie jeder andere, der das alleinige Sagen hätte. Ja, ich würde anders entscheiden, wenn ich keinen Kompromiss eingehen müsste/wollte. Genauso wie jeder andere, der keinen Kompromiss eingehen muss/will. Ob mein rascheres und anderes Entscheiden letztlich auch richtig wäre kann bestenfalls gehofft und nicht gewusst werden.

Zurück zu den Tatsachen in Wiener Neudorf: Die Bevölkerung hat keiner Partei  und damit keinem Standpunkt – die absolute Mehrheit gegeben und damit den Wunsch nach einer Koalition dezidiert ausgesprochen. Und damit den Wunsch nach Zusammenarbeit und Aufeinander-Zugehen. Und das bedingt manchmal einen Kompromiss. Manchmal einen wohlriechenden. Manchmal einen faulen.

Ich habe eine ganz besondere Vorliebe für eine gut riechende Umgebung.

4 Gedanken zu „Über die Richtigkeit des politischen Kompromisses

  1. Ein_Moedlinger

    Die Frage ist – was heißt das jetzt?

    Ist das eine ausschweifende Begründung und vorauseilende Entschuldigung dafür, einer nicht unumstrittenen Partei mit gerade einmal 6% der Mandate im Gemeinderat bzw. 8,x% der Stimmen zur Gemeinderatswahl 2015 eine überproportionale, übergewichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen zu lassen …

    oder

    die lange Einleitung, einem Prolog nicht unähnlich zu sinnvollen, menschlichen Aktivitäten, die auch der Mehrheitshaltung der Bevölkerung entsprechen?

    Es bleibt spannend.

  2. Gustav

    Zur gestrigen Veranstaltung im Festsaal in Wr.Neudorf – hätte ich schon Antworten von der Gemeinderegierung erwartet. Videos schauen und Gespräche lauschen, war nicht dass was ich mir vorgestellt habe.

    Und warum hab ich keinen Vertreter der FPÖ auf der Liste des Kernteams gesehen??!? Werden diese ausgeschlossen oder wollen diese nicht?!

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