JE SUIS RAIF BADAWI

رائف-بدويIch weiß schon, ich müsste eine Woche vor einer Gemeinderatswahl über Wiener Neudorf schreiben. Über das, was ich besser machen will als der derzeitige Bürgermeister. Über mein Programm. Über meine Visionen. Oder zumindest über den gestrigen Ball der Neudorfer.

Aber eigentlich beschäftigt mich derzeit etwas ganz anderes. Die halbe Welt ist derzeit „Charlie“ (Je suis Charlie). Noch vor zwei Wochen hat dieselbe halbe Welt nichts von Charlie Hebdo gewusst. Heute will diese französische Satirezeitung fast jede/r haben, auch wenn sie/er kein einziges Wort Französisch kann.

Auch von jemand anderen hat die halbe Welt bis vor kurzen noch nie etwas gehört.

JE SUIS RAIF BADAWI 

Da wagt ein Mensch in einem Land, dessen Name nach Fernweh klingt und wo gut und gerne auch einige der verklärten Geschichten von 1001 Nächten spielen könnten, die Wahrheit zu sagen. Und wird dafür zum Tod auf Raten verurteilt. 20 aufeinander folgende Freitage jeweils 50 Peitschenhiebe. Irgendwann an einem dieser Freitage wird er sterben, weil diese Tortur kein Körper aushält. Nur deshalb, weil er – hoffentlich – die Wahrheit geschrieben hat.

Alle Menschen sind gleich. Muslime, Juden, Christen, Atheisten. Jeder hat das Recht zu glauben, oder nicht zu glauben. Auf der einen Seite der Erde eine „No-na-net“-Feststellung. Auf der anderen Seite der Erde eine Aussage, die offenbar eine Weltreligion in den Grundfesten erschüttert. Ich frage mich, wie gefestigt kann eine Religion sein, wenn sie die Aussage eines Bloggers als Bedrohung ansieht? Wie sicher ist sich diese Religion eigentlich ihrer selbst?

Ja, ich bin Christ! Aber bin ich deshalb ein besserer Mensch als ein Atheist? Als ein Jude? Ein Moslem? Würde mir niemals einfallen, das zu glauben oder für meinen Glauben als wichtig einzustufen. Ich wünsche mir, dass alle gemeinsam – Christen, Atheisten, Juden, Moslems – für Raif Badawi beten – übrigens zum selben Herrgott, von dem wir alle annehmen, er hat die eine Religion lieber als die andere – oder er ist überhaupt nur ein Hirngespinst.

Ortswechsel nach Wiener Neudorf. Ein Ort der Gläubigen. Die Roten glauben sie wären die Sozialeren. Die Grünen glauben sie wären die Umweltbewussteren. Die Schwarzen glauben sie wären die die Kompetenteren. Die Blauen glauben sie wären die Traditionelleren.

Jetzt habe ich wieder die Kurve gekratzt hin zu einem Beitrag, der meinem Blog eine Woche vor der Wahl gerecht wird. Moslems, Juden, Christen, Atheisten. Alle sind gleich. Da wie dort gibt es gute und böse Menschen. Letztlich geht es um denselben Gott, an den die einen glauben und die anderen nicht.

Rote, Schwarz, Blaue, Grüne (Violette). Da wie dort gibt es gute und weniger gute Politiker. Letztlich geht es um denselben Ort. Um Wiener Neudorf! Und seine Zukunft.

JE SUIS RAIF BADAWI

Ich will ihm helfen. Ich will, dass er lebt. Ich will, dass die Tortur gestoppt wird. Ich will, dass eine Weltreligion sich einen Satz überlegt, den ich vor Jahren einmal in einem Gedichtband veröffentlichen durfte: Für jeden Menschen, der an Höheres glaubt ist eine Erklärung noch vonnöten: Für den Glauben sterben ist erlaubt, aber nicht für ihn zu töten!

Vielleicht hilft es für Raif Badawi zu beten. Vielleicht hilft es an Raif Badawi zu denken. Versuchen wir wenigstens ihm zu helfen – egal wie. Jeder auf seine Art. Gemeinsam. Juden, Atheisten, Muslime, Christen, Rote, Schwarze, Blaue, Grüne, Violette.

3 Gedanken zu „JE SUIS RAIF BADAWI

  1. Wagner Karl

    Lieber Herr Janschka,
    ich stimme ihnen von ganzem Herzen zu. Allerdings fällt mir dabei das Abdullahzentrum in Wien ein. Das, was die Familie Saud tut, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Familie ist unser Feind. Der Feind jedes Mitgefühls, der Feind jeder Menschenliebe, der Feind jeder Akzeptanz und Toleranz, der Feind der Freiheit. Und von dieser Familie lassen wir uns ein sog. Dialogzentrum finanzieren? Ich verlange auch von ihrer Partei, der ÖVP, von unserem Bundespräsidenten und auch von allen sonstigen Entscheidungsträgern, diese Schandmal mitten in unserem demokratischen Land zu schließen!

  2. Herbert Janschka Artikelautor

    Lieber Herr Wagner,
    persönlich weiß ich zu wenig über dieses Zentrum und habe eigentlich überhaupt keine Ahnung, was dort eigentlich passiert. Um ein Dialogzentrum scheint es sich nur dem Namen nach zu handeln, aber nicht nach dem, was dort getan wird. Ich rede und schreibe ungern über etwas, wovon ich keine ausreichenden eigenen Informationen habe. Sich eine Meinung nur aus Medienberichten zu machen, da bin ich im Laufe meines Lebens sehr vorsichtig geworden.

    Aus dem Bauch heraus schließe ich mich Ihrer Forderung vollinhaltlich an. Politisch vertraue ich diesbezüglich auf die Vorgehensweise unseres Außenministers, der, wie ich denke bislang alle an ihn gestellten Aufgaben sehr professionell angegangen ist. Ich bin überzeugt, dass im Außenministerium alle relevanten Informationen zusammenlaufen, um eine richtige Entscheidung zu treffen.

    Andererseits, auch aus dem Bauch heraus, passieren nachhaltige Fehler und nachhaltige Fehlverhalten vor allem immer dann, wenn der Dialog versagt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass, wenn das Abdullahzentrum zu einem wahren Dialogzentrum wird, einiges – auch in Richtung Menschlichkeit bewegt werden könnte. Aber dann muss es auch von allen als Dialogzentrum verstanden werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann hat es ganz sicher keine Existenzberechtigung. Aus meiner Sicht wäre das die bisherige Aufgabe von Frau Dr. Bandion-Ortner gewesen, die ganz offensichtlich in ihrer Position – drücken wir es höflich aus – versagt hat. Ihr Interview im „profil“ war glücklicherweise so naiv ehrlich, dass das Verhaltensmuster dieses Zentrums und seiner Protagonisten publik gemacht werden konnte. Andererseits bin ich heilfroh, dass diese Dame mit diesen eigenartigen und verharmlosenden Ansichten derzeit kein gerichtliches Urteil zu fällen hat. Ich wünsche mir, dass das so bleibt.

    Ich werde mir erlauben – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – , Sebastian Kurz, meinen Blog-Beitrag samt unserem Dialog zukommen zu lassen.

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